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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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zuvorkommenden Anrede aufgemuntert: ›Da ich das Glück dieses Augenblicks bloß meiner Unwissenheit und dem Zufall zu danken habe, so wär’ es in der That grausam, schöne Unbekannte, mich dafür zu bestrafen, nicht daß ich, wie Aktäon, zu viel, sondern daß ich gesehen habe was man nie genug sehen kann.‹ – ›Nur ein längeres Verweilen‹, versetzte sie mit einem einladenden Lächeln, ›würde dich strafbar machen, denn es ist Zeit, daß ich das Bad verlasse.‹
    Indem sie dies sagte, traten zwey junge Sklavinnen herein, die in zierlichen Körben alles, was zum Dienste des Bades erforderlich ist, auf ihren Köpfen trugen. Sie schienen verwundert einen Unbekannten hier zu finden, und hefteten ungewisse fragende Blicke bald auf mich, bald auf ihre Gebieterin. ›Was für eine Strafe‹, sagte die Dame, ›hat dieser junge Mensch verdient, für die Verwegenheit sich in ein frauliches Bad einzudringen, das gewiß noch von keinem männlichen Fuße betreten worden ist?‹ – ›Die gelindeste wäre wohl, ihn anzuspritzen und in einen – Hasen zu verwandeln‹, sagte die jüngere. ›Das wäre eine zu milde Strafe für ein so schweres Vergehen‹, versetzte die ältere; ›ich weiß eine andere, die dem Verbrechen angemeßner ist. Ich würde ihn dazu verdammen, so lange bis wir unseren Dienst verrichtet haben, hier zu bleiben, und dann die Thür hinter uns zu schließen.‹ ›Meinst du?‹ sagte die Dame, indem sie sich erhob, ihre in einen dicken Wulst über der Scheitel zusammengebundenen Locken auflösend, von einer Fülle bis unter die Kniee herab fallender gelber Haare, wie von einem goldenen Mantel, umflossen, aus dem Wasser stieg, und sich, eben so unbefangen als ob sie mit ihren Mägden allein wäre, abtrocknen und mit wohlriechenden Ölen einreiben ließ. ›Und mich, schöne Gebieterin‹, sagte dein unverschämter Freund mit der ganzen edlen Dreistigkeit, die du an ihm beneidest, ›mich, den du in einem Augenblick zu deinem Sklaven gemacht hast, wolltest du hier müßig stehen lassen? Erlaube mir, deinen Nymphen zu zeigen, daß ich geschickter bin als sie mir zutrauen‹, und indem ich dieß sagte, machte ich eine Bewegung, als ob ich einer der Mägde ein Tuch von der schneeweißesten Wolle, womit sie ihre Gebieterin abzureiben begriffen war, aus der Hand ziehen wollte. Aber die Dame warf mich mit einem zürnenden Blick auf einmahl wieder in die Schranken der Ehrfrucht zurück, die der Schönheit und dem Stande, von dem sie zu seyn schien, gebühren. ›Wenn du mein Sklave bist‹, sagte sie wieder lächelnd, sobald sie mich in gehöriger Entfernung sah, ›so erwarte schweigend meine Befehle und rühre dich nicht!‹ Ich gehorchte wie einem wohlerzogenen sittsamen Jüngling zusteht, und erhielt dafür die zweydeutige Belohnung, daß man die Mysterien des Bades mit der größten Gelassenheit vollendete, ohne sich um meine Gegenwart, oder wie mir dabey zu muthe sein möchte, im geringsten zu bekümmern.
    Als sie wieder angekleidet war, heftete die Dame im Weggehen einen ernsten Blick auf mich und sagte: ›Vergiß nicht, daß es dem Ixion übel bekam, sich kleiner Gunstbezeugungen der Götterkönigin zu rühmen!‹ – und ohne meine Antwort zu erwarten, stieg sie in eine prächtige Sänfte, die von vier Sklaven schnell davon getragen wurde. Mir war, als ob ich aus einem Traum erwachte.« 106
    Der Traum ist keiner von Natur; die Frau ist nicht urgeschaffen, nackt und bloß, sondern ausgezogen. Wieland, zu klug, das Fantasyszenario aus der gesellschaftlichen Nichtnatur, in der er selbst es schreibt, komplett herauslösen zu wollen, schaltet eine Spekulation ein, weil er weiß, daß das schlechthin Entrückte nicht erotisch ist, und denkt darüber nach – läßt, genauer, den Helden darüber nachdenken, was für Bedingungen das wohl sein mögen, aus denen die Souveränität und Autonomie, Ironie und Sicherheit gespeist ist, mit der die Heldin da eben agiert hat:
    »Die Dame schien nicht über achtzehn Jahre alt zu seyn, und ihre Gestalt hätte das Glück eines Alkamenes machen können, wenn ihn der Zufall so wie mich begünstiget hätte. War sie eine Hetäre von der ersten Klasse, die zu Korinth unter Afroditens Schutz eine Freyheit und Achtung genießen, welche ihnen in keiner andern griechischen Stadt zugestanden werden? Oder war es eine junge Frau von Stande, die im Bewußtsein ihrer Reizungen sich eine muthwillige Lust daraus machte, einen Unbekannten für seinen jugendlichen Übermuth auf eine

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