Der Implex
Universalismus ansieht (und als Marxist deshalb konsequenterweise loben muß), sagt im ersten Korintherbrief nicht mehr noch weniger, als daß die Liebe, wenn sie denn die wahre sei, ohne die man mit Menschen- und mit Engelszungen, mit Weissagungen, Glauben und Erkenntnis über alles Immanente und Vorstellbare hinaus dennoch nichts vollbringen könne, alles ertrage, alles hoffe, alles glaube, und daß ohne sie alles nichts sei, aber diese Worte sind vor allem deshalb so schön, weil sie kaum weniger vage sind als die Ankündigung bei Friedrich Engels, die einmal befreiten Menschen würden sich ihre Art zu lieben dann schon selbst einrichten (das sind die Stellen in den Blauen Bänden, aus denen dann die Nebenwiderspruchskläger aller Preisklassen ihre wackligen Plädoyers zimmern).
Die Religiösen unter den Universalisten werfen sich, da ihnen das Diesseits ohnehin vornehmlich Leidensquelle ist (eine gar nicht dumme Ansicht; genügend übertrieben zuversichtliche Atheisten hätten davon zu lernen), wenn sie von einer Sache einmal wissen, daß sie im Hier und Jetzt nicht bestimmbar, nur von einem Punkt jenseits der Immanenz her richtig aufzufassen ist, ganz in diese, um ihre Abkehr vom Weltlichen zu bekräftigen; so hört man nirgends mehr von jenseitiger Liebe als bei denen, die, indem sie versprechen, den oder die Geliebte(n) bis ans Ende der Welt zu begleiten, leider oft bereits mitmeinen, daß ihre irdische Energie für den Weg bis zur nächsten Ecke nicht reicht. Manchmal aber ist die Sache ernst gemeint, und dann wird die Beharrlichkeit kostbarer, als jede Abgeklärtheit sein könnte, wie sie aus dem Mißverständnis der Realisten unter den Universalisten allzuoft resultiert, die aus Wahrheiten wie der von Engels, daß die Liebe nicht zu den Dingen gehört, die der politische Kampf um die Freiheit im Einzelnen setzen könnte, ableiten wollen, es lohne sich nicht, sich mit ihr zu beschäftigen, da es andere Dinge als die, die sich im politischen Kampf um die Freiheit im Einzelnen setzen lassen, für Leute gar nicht geben sollte, die diesen Kampf führen wollen.
Liebe lehrt, daß Freiheit ohne andere Menschen nicht zu haben ist; daß sie wesentlich etwas ganz anderes ist als etwas, worauf man sich berufen sollte, wenn man andere Menschen loswerden will.
Etwas Wichtigeres als das hat kein Sozialismus, keine Aufklärung, keine Wissenschaft, keine Philosophie, keine Kunst und keine Religion jemals herausgefunden.
SIEBEN
VOM FORUM UND SEINEN FORMEN
I.
Immer ästhetischer, immer pragmatischer: Die Hölle
Das moderne Subjekt, das von der bürgerlichen Welt hervorgebracht wurde und täglich in der Pflicht steht, sie stets aufs neue wieder selbst mit hervorzubringen, steht als Quell wie als Produkt dieser Welt in einem Paradox, das es von innen auffrißt: Einerseits ist es von dieser Welt erzeugt und erzeugt sie, andererseits drückt sich seine Teilhabe am abstrakten Reichtum ebenjener Welt immer weniger als Teilhabe daran aus, was und wie diese Welt so die ganze Zeit erzeugt, und immer mehr bloß im Konsum der betreffenden Erzeugnisse. Wenn, wie wir glauben, Marx recht hat, wo er, wie in der Deutschen Ideologie , sagt, der geistige Reichtum der Individuen – inwieweit sie also, beispielsweise, überhaupt welche sind – hinge vom Reichtum ihrer wirklichen Beziehungen ab (wir nennen das: Menschen sind aus anderen Menschen zusammengesetzt), und wenn er ferner, was wir außerdem glauben, ebenso recht hat, wo er, wie in den Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie , sagt, der gesamtgesellschaftlich produzierte Reichtum bestehe nach der stofflichen (statt nach der geistigen) Seite hin aus der »Mannigfaltigkeit der Bedürfnisse«, dann kann man von einem Subjekt, dessen wirkliche Beziehungen von Bedürfnissen reguliert werden, auf die es keinen Einfluß hat, jedenfalls sagen, daß es arm ist.
Was diesem Subjekt damit widerfährt, ist, wenn, wie wir überdies glauben – dreifache Klassikeranrufung hält besser –, Rosa Luxemburgs Fortschrittsbestimmung (also: zunehmende Verfügung über die immer reicher ausgestaltete Produktion durch alle; abnehmende Bedeutung mehr und mehr gelöster Konsumfragen) stimmt, jedenfalls ein arger Rückschritt, mitten ins Nichtemanzipierte, beinah schon Vorbürgerliche, ja Vorzivilisierte (wenn auch bürgerlich, das heißt marktförmig vermittelt – ob aber die Sachen, über deren Gebrauchswert sich irgendwann nicht einmal mehr streiten läßt, im Netz bestellt oder beim
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