Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
Vom Netzwerk:
Jagen und Sammeln erworben werden, ist dem Vorgang der unproduktiven Konsumohnmacht bloß äußerlich und bleibt allemal gehupft wie gegooglet).
     
    Ein solches Subjekt, weiß die Entfremdungstheorie, fühlt sich vor allem deshalb so mies, weil von ihm erwartet werde, fürs eigene Leiden oder Wohlergehen komplett selbst verantwortlich zu sein. So verrückt waren die Erfinderinnen und Erfinder von citoyenne und citoyen aber gar nicht: Was ein Unfall ist und daß man im Leben nicht nur Glück, sondern auch Pech haben kann, wußten auch diejenigen, die den Liberalismus erfunden haben. Daß es ihr oder ihm schlecht geht, dafür kann auch im wildesten, zähnefletschenden Sozialdarwinismus die oder der Einzelne nicht immer was; erwartet wird nur von allen, daß sie sich um ihr Glück selbst bemühen, ihr Leiden selbständig meiden: nicht happiness ist Recht und Auftrag aller Einzelnen, sondern pursuit of happiness.
     
    Mitspielen dürfen bei diesem »Fang den Hut« hieß früher, die vielfältigen Spielfeldeinteilungen zu beherzigen zwischen Stadt und Land, Familie und Beruf, Freizeit und Arbeit, Schloßallee und Gefängnis, und heißt inzwischen, weil die Verwertung des Werts nun mal keine Quellen übersehen und keine Ressourcen brachliegen lassen darf, daß man sich im Job, und sei er völlig blöde, unsicher und heteronom, so findig, kreativ, enthusiastisch und individuell aufzuführen hat wie bei der Liebe – die starren Unterschiede werden eingeschmolzen, aber zugleich als situative, okkasionelle, opportune, pragmatische wiedergeboren: Feministische Beobachtung etwa erkannte bald nach der Zunahme der Ausbildungs- und Arbeitsmarktmobilität von Frauen und den parallelen sexualmoralischen Liberalisierungsschüben der sechziger Jahre die scheinbare Erosion von Geschlechterrollen als eine bloße Vervielfältigung von Ansprüchen spielerisch inszenierter, aber ohne jeden Sinn für Humor durchgesetzter Mehrfachansprüche an Frauen, die jetzt zwar auch Pilotinnen, Hirnchirurginnen oder evangelische Bischöfinnen werden konnten, entsprechende persönliche, aus den neuen Belastungen resultierende Einsamkeiten aber durch gesteigerte Attraktivität als Verführerinnen ausgleichen sollten; daß diese Beobachtung nur selten mit anderen Formen der neuen, verwertungsfreundlichen Reorganisation überkommener Sphärentrennungen zwischen »privat« und »öffentlich« in Verbindung gebracht wurde, zum Beispiel damit, daß ein ehemals öffentlicher Nahverkehr nach der Privatisierung Leute zwingt, für schlecht erreichbare Zonen und Zeiten (um 23.00 Uhr fährt kein Bus mehr, wo das nicht rentabel ist) eben individuelle Lösungen zu finden (Führerschein? Taxi? Fahrgemeinschaft?), hat sich an der Dürftigkeit vieler theoretischer und programmatischer Äußerungen der »Neuen Sozialen Bewegungen« gerächt – wer, zum Beispiel, die Angst vor Überwachung und Volkszählung, also zuviel öffentlicher Zuwendung fürs Private, nicht dialektisch mit der scheinbar gegenläufigen Zerstörung sozialer Netze, also zuwenig öffentlicher Zuwendung fürs Private, zusammendenken kann, der wird sich gegen diese beiden Sorten von Zumutungen immer nur in Gelegenheitskampagnen empören können und dabei einen mal begriffslos wurstelnden, mal pathetisch-hohl in abstrakten Anklagen gegen »den Staat« verlierenden Eindruck machen, ganz wie die westdeutschen GRÜNEN, ein typisches Sammelbecken jener Neuen Sozialen Bewegungen, bis zur Teilhabe an der von ihnen zu aufstrebenden Oppositionszeiten stets beargwöhnten, nie begriffenen Staatsmacht.
    Es geht bei all diesen widersprüchlichen Phänomenen in den am weitesten entwickelten Gesellschaften der Epoche nach der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ganz einfach darum, daß »die Öffentlichkeit« nichts anderes ist als der Ort, an dem die privatrechtlichen (vor allem besitzbezogenen) Ursachen allgemeinen Elends einerseits geleugnet, andererseits ausgestellt werden: Jede und jeder von uns, lautet die ständig wiederholte Botschaft, ist selbst schuld, wenn sie oder er aus der Gemeinschaft herausfällt, und ebendas hält uns alle zusammen – »wir«, das sind die integrierten Asozialen des integralen Asozialismus.
    Das verursacht enorme menschliche Unkosten, und deren Management macht praktische wie theoretische Anstrengungen von erheblicher Wucht und Reichweite nötig.
     
    1.) Praktische : Im Juni 2010 kann man in der Policy Review der angesehenen Hoover Institution an der amerikanischen Stanford

Weitere Kostenlose Bücher