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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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»blinder Zufall«, sobald man etwa die vielen sozialen Rollen, Lebenswege, Lerngeschichten danebenhält, die niemals ein Larkin- oder überhaupt irgendein Gedicht berühren, vom deutschen Hartz-4-Empfänger bis zur südafrikanischen Bankkauffrau.
     
    Der Trick an Rortys unfalsifizierbarem Argument besteht darin, schlechthin alles, was nicht rest- und fugenlos determiniert und also ein Fall für eine Theodizee aus dem Geist des Fatalismus wäre, als potentiell vollständig beliebig hinzustellen, während der Witz an einem Wort wie »kontingent« ja nur die Einladung dazu sein kann, sich mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsgraden und den möglichen Vermittlungen zwischen ihnen auseinanderzusetzen, und zwar theoretisch wie praktisch.
    Daß man das, was Rorty privat nennt, und das, was er öffentlich nennt, aber nach seinem Dafürhalten gar nicht mehr begrifflich miteinander vermitteln soll, weil dafür Lebenspragmatik völlig ausreicht, ist eine besonders heikle Lesart des Humeschen Gesetzes von der Nichtableitbarkeit des Sollens aus dem Sein, auf das wir in diesem Buch nicht ohne Grund immer wieder zurückkommen. Rorty geht in einem entscheidenden Punkt weiter als Hume: Während jener nur lehrte, daß wir aus unserem Wissen über das, was ist, nie ableiten können, was sein soll, sagt Rorty, daß wir darüber, ob so eine Ableitung statthaft sei, gar nicht nachzudenken brauchen, weil wir ein Wissen darüber, was ist (»Objektivität«), grundsätzlich gar nicht mit hinreichender Verläßlichkeit erlangen können, weshalb wir unser anständiges Sollen (»Solidarität«) lieber damit begründen sollten (!), daß wir als westliche Zivilisation eben aus gewissen historischen Gründen auf diese Art Gebot verfallen sind (einem geschenkten Ideal schaut man nicht in seine Wahrheit). Nicht bedacht hat der Professor, daß er eben damit bereits nicht nur die »Vereinbarkeit«, eben das Aufeinanderbezogensein, der beiden Domänen selbst bekräftigt, das er verneint – es gibt eben doch eine Theorie, in der diese beiden aufeinander bezogen werden können, nämlich als aufeinander nicht reduzierbare absolute Größen, und diese Theorie ist, wahrscheinlich rein zufällig, die von Professor Rorty –, sondern, mehr noch, einer der beiden Domänen sogar stillschweigend den Vorrang vor der anderen zuerkennt, nämlich der öffentlichen, in welcher der Professor seine Theorie formuliert und ihre Geltung behauptet hat, vor der privaten, in der sich dann irgendwelche kontingenten Subjekte darum bemühen dürfen, so zu leben, wie’s der Professor erkannt hat. Wir wollen dieser logischen Selbstironisierung der Rortyschen Ansichten hier nicht tiefer nachgehen als bis zu diesem Punkt, an dem immerhin sichtbar wird, was sie mit dem eingangs dieses Kapitels geschilderten Paradox des bürgerlichen Subjekts formal (und am Ende inhaltlich?) gemeinsam haben. Man könnte aber zumindest fragen, welches der Probleme, die den Privates und Öffentliches »vereinigenden« Theorien aufgeworfen werden, mit der Inkommensurabilitätsbehauptung überhaupt gelöst und nicht durch sie nur noch dringlicher gemacht wird, insofern diese Behauptung letztlich nichts anderes leistet, als am Vorhandensein eines Verhältnisses der beiden Größen hilflos festzuhalten, aber die genaue Bestimmung dieses Verhältnisses dann mit einem Denkverbot zu belegen – es ist, als ob eine Theaterkunst die Figuren manchmal in Alexandrinern, manchmal in Prosa sprechen läßt und nirgends verrät, entlang welcher dramatischen Idee sich dieser Unterschied gebildet hat – da sind ja mehrere denkbar; ein bürgerliches Theater etwa mag durch die Prosa den Vers als hohltönend entlarven wollen, ein sozialistisches, wie Peter Hacks es im Beamtenstück Prexaspes ausprobiert hat, könnte dagegen einfach sagen wollen, daß Verwaltungssprache die Dinge aus durchaus legitimen politischen Gründen (die man in der Systemtheorie vielleicht »operative Schließung der Verwaltungskommunikation« nennen könnte) anders bezeichnen müsse als alltägliche.
    Wir wollen den Dilemmata, die Rorty heraufbeschwört, indem er sie zu bannen sucht, hier nicht weiter nachgehen.
    Wichtiger aber ist uns, deutlich zu bezeichnen, was die Alternative zu den von Rorty verworfenen Theorien ist, die sich zutrauen, das Private und das Öffentliche nicht nur zu vereinen, sondern ihre wechselseitige Vermitteltheit durch die jeweils andere zu thematisieren und theoretischen wie praktischen Aufhebungsmaßnahmen

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