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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Subjekt, dem die Aufklärung die Zukunft schenken wollte, eben nicht für allzuviele Leute Wirklichkeit geworden ist – jedenfalls für weit weniger, als sich im Internet umtun können.
     
    Der Glaube, daß einem spezifischen Produktivkraftstand gewisse Freiheitsgrade innewohnen, die menschliche Potentiale anregen und zur Verwirklichung heben können, ist einer der wichtigsten Bausteine der in diesem Buch vertretenen Theorie des sozialen Fortschritts, aber bis zu seiner begrifflichen Klärung, die wir, da wir nominalistisch und materialistisch statt universalienrealistisch und idealistisch argumentieren, nur im Durchgang durch die verschiedenen sozialen Wirkungskreise (Klassen, Rassen, Geschlechter, Technik, Privat/Öffentlich, Wissenschaft, Staat …) entwickeln, müssen wir immer wieder den Hinweis darauf wiederholen, daß die Ansicht nicht nur einiger der klügsten Leute im neunzehnten Jahrhundert, dieses Herausheben der sozialen Freiheit aus den produktiven Widersprüchen geschehe unausweichlich und der Fortschritt sei mit der Geschichte als solcher, soweit sie Vernunftgeschichte sei, praktisch identisch, genauso falsch und genauso richtig ist wie die Naturrechtslehre. Warum es nur sehr wenige richtige fortschrittliche Gedanken geben kann, die nicht als falsche anfangen und dann zu richtigen gemacht werden können, werden wir an anderer Stelle in diesem Buch untersuchen – hier aber verweisen wir einstweilen nur zurück darauf, daß das Naturrecht, als die Frühaufklärung es im Menschenwesen verankert fand, dort jedenfalls nur im Widerspruch zu anderen Dingen vorkam und aus der bloßen Tatsache, daß sie eine Menschengesellschaft mit bestimmten Rechten einrichten ließ, nicht hätte gefolgert werden müssen, daß das, da mit der Natur der Sache konform, auch geschehen mußte – daß die Pionierinnen und Vorbereiter der Freiheit dies dachten, war der Sache günstig, daß sie den Implex der bürgerlichen Freiheit mit der conditio humana verwechselten, ein nicht zu unterschätzender impliziter Propagandavorteil ihrer Sache, aber eben genauso falsch (und auf verwickelte Weise »nur soweit richtig«) wie etwa die Überzeugung, in ihrem Denken und Meinen unfreie Leute seien durch die Reichweite des World Wide Web schon fast frei, oder Walter Benjamins analoger Gedanke, in der Lithographie sei virtuell die illustrierte Zeitung verborgen und in der Photographie der Tonfilm. Der Fehler steckt jedesmal im selben Kurzschluß: Der Katalog der vom Naturrecht verzeichneten Freiheitsattribute, das World Wide Web, die Lithographie und die Fotographie sind Maschinen – im Falle des Naturrechts oder auch des Marxismus: sehr abstrakte, rein begriffliche –, also Apparate zur Zwecksetzung im Zwecklosen, aber das, was jeweils herausgefolgert wird, daß man staatlich garantierte Freiheiten, dissidierende Meinungen, illustrierte Zeitungen oder Kinos mit Tonfilmen hat, sind soziale Einrichtungen, ist im Moment dieses Herausgefolgertwerdens etwas anderes, nämlich selber so ein Zweck, unter den die Maschine das Zwecklose stellt. Daß aus den Menschenrechten – siehe die Kriege der reichen gegen arme Länder in den Jahren seit dem Zusammenbruch des Systems des Warschauer Vertrags –, der Web-Meinungsfreiheit, den Zeitungen und dem Kino im nächsten historischen Entwicklungsschritt selber wieder Maschinen werden, mit denen erneut Schneisen ins Dickicht des Zwecklosen, der Natur der Dinge und menschlichen Verhältnisse, geschlagen werden können, ist dabei gar nichts Überraschendes, sondern nur ein konkreter Anwendungsfall des Luxemburgschen Gesetzes, wonach bei im emphatischen Sinn fortschrittlicher Entwicklung der menschlichen Belange immer mehr von dem, was produziert wird, selbst Produktionsmittel ist – bis zu dem Kippmoment, an dem dann sogar das Gegenteil von Benjamins Meinung, in den alten Medien hätten die neuen gesteckt, augenfällig wird und statt dessen McLuhans These greift, der Inhalt neuer Medien seien die alten (so etwa das Theaterstück oder der Spielfilm im Fernsehen, der Roman als Fortsetzung in der Zeitung et cetera) – beide verallgemeinernd fällt dann auf, daß ab einem bestimmten Entwicklungsstand (für Medien spätestens dem Web 2.0) Medien einander wechselseitig als Formen und Inhalte dienen, ja auseinander zusammengesetzt sein können wie sonst nur Menschen aus Menschen. Manchmal Produkt, manchmal Produktionsmittel, sind soziale Verhältnisse zwischen letzteren beschaffen wie alles, was als Maschine

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