Der Implex
dienen kann, und man muß jedesmal genau bestimmen, welche Seite man meint, wenn man von ihnen redet, mit ihnen denkt – und selbst wenn man das Ineinandergreifen der beiden Momente meint, empfiehlt es sich, entsprechende Begriffshybride zu prägen, was diesseits von Negts und Kluges sehr treffendem und daher sehr schönem Wort von der »Produktionsöffentlichkeit« in Geschichte und Eigensinn leider nur selten versucht wurde.
Daß die Nichtbeachtung der Warnung, an diesen sensiblen Punkten genau zu unterscheiden, womit man denkt, worüber man redet, in Konfusionen führt, zeigt sich, da wir schon vom Internet reden, noch in einer zusätzlichen Weiterung vieler gegenwärtiger Versuche, herauszufinden, was für Sozialtatsachen in dieser großen neuen Maschine benjaminisch gesprochen »virtuell verborgen« sind: der Debatte ums Urheberrecht und dessen Verzichtbarkeit, zunächst zumeist wieder anhand der Sphäre der Kunst diskutiert, die (wie oben schon anhand der Gewichtungsverschiebungen bei der Frage der Arbeit und der Unterscheidung von Öffentlichem und Privatem diskutiert) einmal mehr Testgelände gesellschaftlicher Neuerungen sein soll.
Die Fürsprecherinnen neuer Rechtsverhältnisse in der Kreativsphäre, inspiriert durch die eine Ebene tiefer ins direkte Technikgeschehen der Computernetzwerkära intervenierende open source- Bewegung, wollen das ungehinderte und entgeltfreie Kopieren von Text, Bild und Musik durchsetzen und rechtfertigen ihre Programmatik gleichsam poststrukturalistisch unter völliger Absehung von der aufgeklärten Rechtsfiktion des nicht erpreßten, nicht erpreßbaren Äußerungssubjekts – das ungehindert und kostenlos zu Kopierende soll einfach (wie irgendwas, das man in Naturbelassenem vorfinden kann) Information sein, von der aber habe normativ zu gelten: Information wants to be free. Denen, die das fordern, stehen unter den vorherrschenden Eigentumsverhältnissen ja tatsächlich keine tugendhaften (im Sinne des emanzipierten Bürgertums), nicht erpreßten, nicht erpreßbaren Urheberinnen gegenüber, sondern die Erpresser, nämlich in den meisten ökonomisch überhaupt interessanten Fällen corporate copyright holders, Zwingherren der Kreativen. Wer in dem System, das nun einmal herrscht, von Texten, Bildern und Musik leben will, muß Labels, Verlage, Vertriebsfirmen irgendwelcher Art finden, denn vom Einzelstück lebt niemand (das, nicht der Verlust der Aura, ist der ökonomische Witz an der technischen Reproduzierbarkeit von Kunstwerken; Benjamins berühmte Perspektive sitzt dem intuitiv unmittelbar bestechenden, bei einiger Ernstnahme aber schwer verständlichen Aberglauben auf, man spüre – statt nur: wisse vielleicht – beim Betrachten eines Bildes, ob es sich um ein Original handelt, die Kopie eines Originals oder schließlich eine Kopie in einer Serie, die außer einem allen Kopien zugrundeliegenden Datensatz kein Original mehr hat. Benjamins Ästhetik ist von allem Anfang an ein bißchen zu sehr Rezeptionsästhetik, um so materialistisch zu sein, wie sie ihm vorkam). Die Vervielfältigungsapparate sind die eigentlichen Produktionsmittel der Kunstmärkte, auch da, wo sie (wie in der ganz kleinen Sphäre, die den umfassenden Namen »Kunstmarkt« ideologisch usurpiert hat) nicht vorgelassen werden; Macht über sie kann ja auch heißen: Die bleiben ausgeschaltet. Das liegt daran, daß ein Markt ohne Waren keiner wäre und das Kunstwerk, soweit es nur als das verstanden wird, was am Laptop oder im Moleskine-Büchlein produziert wird, keine Ware ist – die Künstlerinnen glauben, sie verkauften Waren. Sie verkaufen aber in den meisten Fällen nur Bauanleitungen. Die Waren produziert und verkauft dann die Kulturindustrie; manchmal, wie derzeit in weiten Teilen des Netzes, werden sie auch verschenkt, aber das ist Werbung (= »sekundäre« oder »tertiäre« Ökonomie, Abwärme der Verwandlung von G in G’), solange der Kapitalismus fortbesteht. Ausdrucksfreiheit, Kunstfreiheit und ihre ökonomischen Derivate, in forciertem Maß daher Urheberrecht, können nach Aufklärungsverständnis nur Subjekten, eben Urheberinnen, auf die zugerechnet werden kann, zuerkannt werden, nicht aber abstrakten Entitäten wie Sony, Bertelsmann, Microsoft – die zur Forderung nach der Abschaffung des Urheberrechts verkürzte Kritik an den kapitalistischen Eigentumsverhältnissen verlagert den Raub, den jene begehen, aber nur aus dem Konzentrierten ins Diffuse, statt ihn zu beseitigen – wer
Weitere Kostenlose Bücher