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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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einmal vollentwickelten Sozialismus als Merkzeichen von dessen Übergang in den Kommunismus in Aussicht gestellt, nicht aber jemals irgendwo irgendwie bekämpft hat. Entschieden bekämpft allerdings hat er die (oft unter viel liquidatorischem Getöse versteckte) Vernachlässigung des Staatsproblems, etwa durch Proudhon oder die deutschen »wahren Sozialisten«, sehr dagegen empfahl er der Arbeiterklasse die Eroberung der Staatsmacht, die, einmal zur Errichtung des Sozialismus genutzt, besagtes Absterben erst als dann zu erwartenden, hoffentlich unumkehrbaren Prozeß in Aussicht stellte. Von der Warte aus, die Poulantzas einnimmt, kann man die Frage, warum dies in der Sowjetunion nicht geschah, nicht einmal stellen und eine Antwort, in der die rückständigen Startbedingungen in einem halbfeudalen Riesenagrarflächenstaat, der heiße und kalte Umzingelungskrieg, die Militärausgaben und der Weltmarkt angemessen vorkommen, nicht formulieren. Entscheidend aber bleibt, daß Marx jedenfalls nicht der Meinung war, man müsse für das sagenumwobene Absterben kämpfen, das vielmehr von allein geschehen sollte, gekämpft hat er so ziemlich für das Gegenteil der anarchistischen Ideen, die ihm die Stelle unterschöbe, wenn sie wenigstens ordentlich formuliert wäre, nämlich dafür, den Staat zunächst einmal zu erobern, dann zu nutzen und später eben nicht mühsam kämpfend auseinanderzunehmen, sondern, weil man ihn schließlich nicht mehr brauchen wird, schlichtweg zu vergessen.
VI.
Herr von Mises und die Wirklichkeit
    Allzuviel Nachdenken darüber, wie der Staat, sobald er mehr und anderes ist als eine Idee, nämlich etwa ein Arbeitgeber oder ein Befehlshaber im Krieg, kann freilich nicht nur bei Regulationstheoretikern, sondern auch bei gestandenen rechten Liberalen arg schiefgehen – zum Beispiel bei Ludwig von Mises, als dieser aus seiner Überzeugung »So wenig Staat wie möglich, weil sonst Etatismus und Kollektivismus den freien Markt verhunzen« und andererseits seiner Analyse des Ist-Zustandes zwei Dinge herausdeduzierte, die zueinander in unversöhnlichem Widerspruch stehen:
    Da liest man bei ihm also erstens: »Das Wesen der Staatstätigkeit ist, Menschen durch Gewaltanwendung oder Gewaltandrohung zu zwingen, sich anders zu verhalten, als sie sich aus freiem Antriebe verhalten würden«, 165 aber zweitens auch: »Es ist nicht die Aufgabe des Staates, das Verhalten seiner Untertanen zu verbessern.« 166 Ja, was denn nun? Soll er, oder soll er nicht? Gibt es ihn, wenn er’s bleibenläßt, überhaupt? Kann er es, wie im zweiten Satz gefordert, bleibenlassen, ohne unterzugehen?
    Der Staat, von dem Mises träumt, ist von solchen liberalen Grenzfallbestimmungsversuchen grundsätzlich überfordert; dahinter steht abermals die Grundantinomie, die wir ähnlich schon am Naturrecht kennengelernt haben: Die Menschen tun »von Natur aus« nicht, was sie tun müßten, um vertragsfähig zu sein, aber wenn man sie dazu zwingen, dazu erziehen muß, es zu tun, ist der Vertrag natürlich nicht mehr in dem Sinne »frei«, den die Liberalen suggerieren möchten. Die Aufklärung der Aufklärung an dieser Stelle hat Marx geleistet, indem er die Frage entdeckte: Wenn man sich zwischen der Freiheit als dem schlechthin Zwanglosen einerseits und dem Vertrag als dem schlechthin Gerechten andererseits entscheiden muß, was wählt man dann? – und die Antwort fand: Diese Frage ist falsch gestellt, aber der Liberalismus zwingt, sie zu stellen, und deshalb ist er selbst falsch. Marx denkt, Hegel sei Dank, nicht in diesen starren Gegensätzen (die in der kapitalistischen Wirklichkeit wie im Kopf des Mises gar nicht anders können, als früher oder später in einem großen Krach zu kollidieren), sondern dialektisch: Die Freiheit, von welcher die Liberalen träumen, ist in naturwüchsigen Zuständen nicht zu haben; aber der Vertrag, von dem sie glauben, er sei das Kind der Freiheit, kann diese Freiheit in Wirklichkeit hervorbringen – wie? Indem man die Gewalt durch gesetztes Recht bindet, das Recht aber schützt durch verabredete Gewalt, und damit einen Zustand erzeugt, der die Klasseninteressen langfristig auf ökonomischer, nicht nur (wie in der amerikanischen Verfassung, die Marx imponierte) politischer Ebene in checks and balances einer Arbeitsteilung höherer Stufe auflöst zur klassenlosen Gesellschaft.
     
    Arbeit als Stoffwechsel des Gemeinwesens mit der Natur muß sein, Lohnarbeit nicht, Arbeitsteilung kommt in beiden vor, aber man

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