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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Gerechtigkeit ausgespielt, die Ereignisse, die drei Jahre später folgten, waren schon die zweite reaktionäre Riesenwelle nach dem Ende der Systemkonkurrenz). Umweltidealisten und TRIPS-Gegnerinnen, Aids-Aktivisten, vegane Tierschützer, Studentinnen gegen Sweatshops, Anarchisten, Antiimperialistinnen und Sozialforumsleute rotteten sich zusammen, gaben Laut und lieferten sich Scharmützel mit der Staatsmacht in Gestalt der Polizei, fanden sich aber vor allem auch an der Seite von Arbeiterbewegungsresten wieder, lokal und global gerichteten sogar: Die United Steelworkers of America und von Aussperrung betroffene Streikende der Firma Kaiser Aluminium in Washington State, wenige Autostunden von Seattle entfernt, lieferten das lokale Element, das globale steuerten die Teamsters, also Transportarbeiter bei (was in der Medienresonanz zu schönen Alliterationen führte wie »Teamsters and Treehuggers unite« oder, zu sehen im nicht einmal unerträglich schmalzigen Quasi-Doku-Drama »Battle in Seattle«, »Turtles and Teamsters together« – ersteres meint bedrohte Schildkröten bzw. die Leute, die sie retten wollen). Die »Teamsters for a Democratic Union« machten sich besonders beliebt; dabei handelt es sich um eine Reformorganisation, welche die traditionell eher nicht weltbewegend linken Mainstreamgewerkschaften der USA mittels Organizing-Methoden aufzurollen bemüht ist; sie verteidigten mit Einfallsreichtum, Hartnäckigkeit und Geschick die strategisch wichtige Gegend von Capitol Hill, einem Viertel, das von signifikanten Teilen der interracial und gay communities der Stadt bewohnt wird. Gewerkschaften drohten sogar mit Streiks für den Fall, daß die teilweise unrechtmäßig festgehaltenen Menschen, die man bei den Demonstrationen aufgegriffen hatte, nicht freikämen – es war ein Moment des Durchatmens, auf den zunächst nur ein einziges theoretisches Dokument folgte, das mit der Reichweite der Proteste (die bald anderswo ihre Fortsetzung und Ausweitung fanden, in Melbourne, Washington, Quebec, Prag, Heiligendamm …) mitzuhalten versuchte, Negris und Hardts Empire . Das Buch handelt von Dingen, die wir nicht glauben: daß man das System, gegen das die Treehuggers und Teamsters sich gewandt hatten, mit Begriffen wie Staat, Institution, Organisation, Imperialismus, Kapital und so fort nicht fassen könne, daß es nicht darauf ankomme, Kämpfe zu bündeln – das Buch hat also einen Impetus, der dem des rund hundert Jahre früher erschienenen Handbuchs Was tun? geradezu entgegenstrebt. Kurz nachdem Lenins Arbeit erschienen war, riskierten die Russen, durchaus ohne sie gelesen zu haben, ihren ersten Revolutionsanlauf. Kurz nachdem Negris und Hardts Buch erschienen war, riskierte im Fallout der Anschläge vom 11. September 2001 die Regierung George W. Bush einen großangelegten Versuch, die Welt in entschieden gegenrevolutionärem Sinn zu verändern; auch wenn es dabei gegen Regimes ging, die man von links, anders als Bäume, nicht umarmen wollen kann. Die Teamsters und Treehuggers mußten umschulen: Das, wogegen sie sich jetzt würden wehren müssen, war Gewalt ganz anderen Ausmaßes, und gegen Leute gerichtet, mit denen sie noch nie demonstriert hatten.

ZWÖLF
VON DEN FELDZÜGEN
I.
Homo homini lupus: Nicht alle – nicht immer – gegen nicht alle
    Leute, die über das Böse im Menschen philosophieren – vor achtzig Jahren bevorzugt in psychoanalytischen, heute eher in neurowissenschaftlichen, immer wieder gern in bequem unterdefiniert ethologischen Begriffen –, übersehen dabei meist hochabsichtsvoll, daß der Mensch dem Menschen nur in gewissen, eigentlich nicht allzuweiten Grenzen ein Wolf ist. Der unbestreitbar vorhandenen Freude mancher Menschen in manchen Lagen am Töten, Verletzen, Verstümmeln steht die Tatsache gegenüber, daß nach allen modernen Kriegen, das heißt industrieller Herstellung toter Kombattanten und Nonkombattanten, die enorme Zahl der seelisch Kaputten, derjenigen also, die in den gewöhnlichen Menschenalltag nicht mehr integriert werden können, jedesmal auch den größten kriegführenden Nationalstaaten ernste Kulturschwierigkeiten bereitet. Nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg gab es in den reichen englischsprechenden Staaten in der militärischen und politischen Leitung mehrmals Überlegungen, die sozialen Kosten der Schlächterei zu verringern, indem man der neu entstehenden caring industry im Vorfeld freie Hand gab bei der Auswahl des geeigneten Menschenmaterials, also bei der

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