Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
Vom Netzwerk:
geographischen Grenzen versehenen Sozialismus, sondern erst Leo Trotzkis und dann Richard Rortys (und inzwischen wohl Friedrich August von Hayeks) wie Jan Philipp Reemtsma beispielsweise fand, daß der Irakfeldzug der Amerikaner unter George H.W. Bush, anders als vielleicht noch einige regionale Stellvertreterkriege der Großmächte des Systemwettstreits wie etwa Vietnam, fortschrittlich gesinnten, auf Gleichheit, Freiheit, Gerechtigkeit hinarbeitenden Menschen keine Parteinahme mehr erlaubte:
    »Das liegt nicht ausschließlich an der in vielerlei Hinsicht fatalen Figur Husseins (zu dem, jenseits aller o.a. Vorurteile, genug zu sagen wäre, auch wenn man nichts von dem in unseren Zeitungen üblichen Unsinn vom ›irakischen Hitler‹ mitmacht). Das liegt auch nicht nur daran, daß das diktatorische Regime Vietnams, das massenmörderische Kambodschas als Folgen eines imperialistischen Krieges verstanden werden können (…), während das etablierte Regime Husseins ja zu den Kriegsvoraussetzungen gehört. Es liegt auch am fehlenden weltgeschichtlichen Bezugsrahmen.
    Solange es nämlich einen solchen gab ( natürlich ›in den Köpfen‹, wo sonst?), war eine Trennung zwischen der Beurteilung einer spezifischen Politik und deren ›objektiver Funktion‹, wie man so sagte, möglich. Ich sage nicht: vernünftig, angebracht, moralisch vertretbar, politisch richtig, sondern: möglich. Diese Trennung aber braucht einen letztlich geschichtsphilosophischen Rahmen. Und ein solcher Rahmen braucht ein Minimum von Plausibilität. Will man eine ›Befreiungsbewegung‹ – die Ideale, unter denen sie antritt, mögen so sonderbar und befremdlich sein, wie sie wollen – als Teil jenes Revolutions- oder Befreiungsprojektes sehen, für das ›1917‹ nicht als Erfüllungsdatum, wohl aber symbolisch stand und real stand als Projektionsfläche für die Hoffnungen von Millionen von Menschen, dann muß außer dieser besonderen ›Befreiungsbewegung‹ sich sonst noch etwas ›Derartiges‹ tun in der Welt. Der Kapitalismus aber hat ein Stadium erreicht, wo er ohne ›inneren Feind‹ dasteht, soll heißen: Es gibt einfach keine der Erwähnung werte politische Opposition, die ein irgendwie gearteter anti-kapitalistischer Konsens einte. Wenn er nun bald auch – die VR China und ein paar andere Länder mögen mir vergeben, wenn ich sie mal kurz, aber aus Gründen, übersehe – ohne territoriale Grenzen dasteht, ist das nicht nur ›sein‹ welthistorischer Triumph, sondern aufgrund der Umstände dieses Triumphes, dem Desinteresse an der ›arretierten Chance‹ von 1917, auch das Ende jenes historischen Bezugsrahmens, in dem sich seine Kritiker sahen. ›Die Linke‹ hat nicht nur welthistorisch verloren, sondern es gibt sie nicht mehr. Es gibt Individuen, Gruppen, Argumente, Analysen – sicherlich. Aber es gibt keinen Zusammenhang, der all das zusammenfaßte als ›die Linke‹.
    Das mag nun alles wie eine nachträglich sehr merkwürdige Fixierung auf die Sowjetunion klingen, und was bei Trotzki verständlich sein mag, dürfte bei einem bürgerlichen Intellektuellen des Jahres 1990 skurril wirken. Doch auch auf die Gefahr hin, mich auf engem Raum zu oft zu wiederholen: Es braucht keine nachträgliche Sympathie für die nominalsozialistischen Regime, um zu genanntem Ergebnis zu kommen. Möglicherweise ist derjenige, der ohnehin nie gemeint hat, es gebe zu ihnen eine sozialistische oder eben im weitesten Sinne ›linke‹ Alternative, mal wieder besser dran: Zuvor konnte er sich um die Erkenntnis der Realitäten herummogeln, nun kann er sich auf die Jahre 1989/90/91 in den Kategorien von Sieg und Niederlage beziehen und kann der Geschichte jenes Minimum an Heroismus-Phantasien abgewinnen, das, wenn man sonst nichts hat, doch immer tröstlich ist. Aber es ist eben keine ›Niederlage des Sozialismus‹ gewesen, sondern die massenhaft ausgeschlagene Chance, doch noch einen Schritt zu seiner Verwirklichung zu tun. Der Blick auf die Weltgeschichte, deren Zeuge zu sein wir die Gnade der zeitigen Geburt haben, wird sich verändern. Ein Kind fragt bei einem Geschehen, das es nicht versteht, wer ›die Guten‹ seien. Wenn man’s ihm sagt, meint es etwas verstanden zu haben, denn man hat ihm einen Bezugsrahmen für das gegeben, was es sieht. Fehlt der, so weiß es nicht, wer ›gewinnen‹, und es ob bei so oder so beschaffenem Ende sich freuen oder weinen soll. Die Wirklichkeit macht uns kein überzeugendes Angebot, Bush oder Saddam Hussein zum

Weitere Kostenlose Bücher