Der Implex
leicht denken; Parteien will man gar keine bilden oder beeinflussen – außer so, wie das jede andere Bürgerinitiative auch vermag, darf und tut (als Multiplikatoren von Boykottaufrufen zum Beispiel), Zentralismus ist von Übel, man erwartet statt dessen dezentrale, nicht einmal recht beschreibbare neue Arten von Bündnissen, also ungefähr das, was ihre Wählerschaft auch die grüne Antiparteienpartei erwarten hieß, als sie noch auf dem Rotationsprinzip bestand (aus deren weiterer Karriere im Parlamentarismus man vor allem lernen sollte, daß die schönste Satzung nichts taugt, wenn denen, die in der Organisation tätig sind, nicht klar ist, wo die Bestechlichkeiten, Opportunismustürchen et cetera strukturell immer liegen und liegen müssen). Der Leninfetisch ist nicht gesünder als der Rotationsfetisch; die Wartung und der Betrieb der aus Programm, Strategie und Taktik gebauten Maschine ist keine Glaubens-, sondern eine Intelligenzfrage (bei der IQ-Tests wenig helfen, weil das statistische Instrumente sind, die den Teil der Intelligenz nicht erfassen, auf den es uns hier ankommt – daß Intelligenz aber übrigens in jedem einigermaßen vernünftigen Verständnis etwas ist, das nicht einfach Regeln, etwa Leninsche, befolgt, sondern auch die Instanz, die Regeln aufstellt und, wenn nötig, entweder bricht oder ändert, sollte sich seit Ryle überall herumgesprochen haben, wo man sich dafür interessiert). Die Nützlichkeit von Was tun? ist im Buch selbst auf andere Art dargetan als von der Geschichte, diejenigen, die das im Buch Mitgeteilte verwarfen, fuhren in ihren jeweiligen revolutionären Situationen nicht gut damit, aber die Leninkritik Pannekoeks, Luxemburgs, Rühles war nicht allein daran festgemacht, daß in der Aufstiegsphase innerhalb der Bolschewiki zuwenig diskutiert worden sei, sondern auch am Gebrauch der dann eroberten Staatsmacht durch die Bolschewiki. Muß der aus dem alten neu zu schaffende Staat von der Partei gelenkt werden, muß sie andere Parteien verbieten? Diskutiert man das im luftleeren Raum, fällt das Allerwichtigste weg, nämlich die Unterschiede zwischen der Pariser Kommune, Chile unter Allende, Deutschland nach der Flucht des Kaisers – Lenins politisches Genie bestand darin, daß er konnte, was auch Marx konnte. Der erklärte, als die Kommune ausgerufen wurde, die Theorie sage zwar, jetzt sei dafür der falsche Zeitpunkt, aber wir machen die Theorie für die Leute, und so hat er die Kommune unterstützt, verteidigt und alles, was in seinen dazumal schwachen Kräften stand, dafür getan, daß sie eine Chance hatte. Umgekehrt verstand sich Lenin wie wenige aufs Zurückrudern, wenn die Lage das verlangte, vom Brester Frieden bis zur NÖP.
Cargo-Kult also betreibt, wer sagt: Wir ahmen nach den Niederlagen Lenins Politik nach, dann werden wir unbedingt Lenins Erfolge haben; solche Reden wecken den Wunsch, denen, die sich in sie werfen, ein bißchen Unterricht in ceteris paribus und totaliter aliter zu geben (der Unterricht ist eine Metapher; nichts besorgt ihn besser als die Praxis).
Je aufgabengemäß differenzierter – ganz unmetaphorisch: intelligenter – die Organisation ist, die eine Auseinandersetzung führt, desto wahrscheinlicher ist es, daß sie richtig, sensibel und schnell reagiert, vor allem aber noch etwas anderes leistet: Tatsachen setzen, die den Gegner zwingen, zu reagieren. Die Lösung Pannekoeks und Geistesverwandter, statt auf die Partei auf die Räte zu setzen, ist also ein sympathischer Kategorienfehler (etwas Einfaches durch etwas Einfaches zu ersetzen, löst kein Problem; die Überlegung reicht an die Schwierigkeiten, die Lenin mal recht, mal schlecht gelöst hat, gar nicht heran), genau wie auf anderer Ebene Luxemburgs Ahnung, der spontane Streik (von dem sie nicht einmal überall an den einschlägigen Stellen klar sagt, ob es ein Schlüsselstellenstreik, ein Generalstreik oder was sonst sein soll) sei das entscheidende Instrument des Kampfes um die Staatsmacht. Nicht mal Zähneputzen ist immer besser als eine Brücke, es kommt nämlich auf den Zustand der Zähne an. Historisch gilt: Je schlechter die Ausgangslage für die Erzwingung getretener Rechte (im Sinne des Naturrechts, also des Programms der paradoxen Emanzipation vom Menschengemachten durch Menschen), desto weniger demokratisch werden selbst beim besten Willen der Aufständischen die Organe aussehen, mit denen dieser Kampf geführt wird; wer nicht möchte, daß Befehl und Gehorsam die Sache
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