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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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noch etwas Niedliches). Der Impuls einer gebrauchswertorientierten Kapitalismuskritik bis in den Konsum hinein war einmal gewesen, nicht nur die Art der Bedürfnisbefriedigung oder ihrer Frustration im Kapitalismus, sondern vor allem einige von diesem selbst erzeugte Bedürfnisse ins Visier zu nehmen und wenn möglich zu ihrer Abschaffung beizutragen; man dachte und sprach aus, Werbung, Sexindustrie, Militär- und Polizeibüttel und manch anderes müsse eigentlich nicht sein, inzwischen aber gibt es im Positiven (»Consulting«) und Negativen (»Union Busters«) da Spezialisierungen, bei denen eine, die ihre Bedürfniskritik bei Lefebvre gelernt hat, nicht mehr mitkommt. Hier wird, wie die modische Formel sagt, überall »Geld gemacht« (und ja wirklich in keinem antiquierten Sinn mehr »verdient«), Abermillionen Dollar allein fließen jährlich in den Umbau so rustikaler Sachen wie der alten »Mohawk Valley Formula« zu verbesserten wissenschaftlichen Methoden der Streikvereitelung, und das Beste an den Pionierinnen und Pionieren des »Organizing« ist, daß sie genau diese Prozesse, teils erzwungenermaßen, teils mit grimmiger Entschlossenheit, studieren und praktische Antworten darauf dislozieren. Die Flußdiagramme und Relationsnetze der flexiblen Arbeitsregimes liegen denen der Arbeit selbst unmittelbar auf, die Organizers lernen daher, wo ein Laden mit dem Staat verfilzt ist, wo Boykotte ansetzen können, welche Zulieferungsabhängigkeiten bestehen, stellen Erhebungen bei den Beschäftigten an, wo die Dinge am gröbsten im argen liegen und wo der Sprung zu ihrer Veränderung am kleinsten ist, man geht dabei, auch das gehorcht mehr der Not als Masterplänen, vom Kleinen zum Großen und peilt den Flächentarifvertrag oft gar nicht mehr an. Immerhin führt es zu erhebenden Kompetenzbeweisen seitens der Unionizers, hat aber auch etwas von Zeitungen, die ihr Layout nach den Ergebnissen der Umfragen von Meinungsforschungsinstituten ausrichten, also einen Beigeschmack von kurzfristigem Brillieren auf Kosten programmatischer Profile, der uns nichts Gutes verheißt. Nicht nur nach Was tun? (da wird bloß eine Begründung mitgeliefert), auch nach der simpelsten Lebenserfahrung sollten politische Organisationen und Interessenverbände sich an ihre Klientel möglichst nicht mit der Frage »Was wollt ihr denn, was wir wollen sollen?« richten; die Wahrheit ist aber natürlich, daß man auch dann, wenn man die Truppe nicht ausforscht, wofür sie denn kämpfen mag, wissen sollte, wie es um ihre Stimmung steht. Blöd wären beide, der an der Befindlichkeit der Besitzlosen Desinteressierte wie derjenige, der sich danach ein Programm modelt und damit nichts werden kann außer reichlich danklos schuftender sozialer Notfallarzt. In Deutschland, der Heimat des Euphemismus »Sozialpartnerschaft«, berichteten 2010 selbst die bürgerlichen Medien, daß hier das Lohnniveau die schlechteste Entwicklung im ganzen kerneuropäischen Raum genommen hat; daß sich das mit einem Machtzuwachs fürs deutsche Kapital hervorragend verträgt, erzählen aber wieder nur die humorlosen Greise unter der roten Fahne. Die Arbeitenden in den reichsten Ländern waren immer die mit den besten Kampfvoraussetzungen, aber eben deshalb im Durchschnitt auch stets die bestochensten, eingenebeltsten, verwirrtesten, alles andere wäre, nun ja, unwirtschaftlich gewesen.
    Von diesem Umstand unterrichtet, aber gegen ihn vielleicht noch nicht hinreichend aufgebracht, macht das Organizing viel Wesens von der Niederschwelligkeit seiner Aktionsangebote, alle können mitmachen, das bringe sogar Spaß. Solche Gesten sollen das »Autoritäre« an den Avantgarde- und Repräsentationsmodellen der Vorzeit überwinden, sind aber selbst reichlich paternalistisch gedacht: Wenn ich sage, die Gewerkschaftsarbeit muß niederschwellig sein, dann sage ich auch, die Anzusprechenden haben kurze Beinchen; wenn ich sage, ich muß die Leute da abholen, wo sie sind, sage ich, die können nicht richtig laufen; wenn ich sage, es muß Spaß machen, dann rede ich von den Leuten wie von Kindern, die sich nur die Zähne putzen und die Haare waschen, wenn die Zahnpasta in einer knallbunten Tube steckt und das Shampoo in einer Plastikflasche, die wie ein Clown aussieht.
    Selbstverständlich macht es nicht selten Spaß, seine Interessen wahrzunehmen, aber man tut es nicht, weil es Spaß macht.
     
    Wie da, wo mit Spaß geworben wird, die Position zur Staatsmacht verstanden wird, kann man sich

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