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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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entstellen, muß rechtzeitig Freiheitsgrade des Handelns nutzen und ausbauen, die in Pausenphasen relativen Kräftegleichgewichts auftreten.
VII.
Teamsters & Turtles & Treehuggers
    Immer bleibt ausschlaggebend für praktische Solidarität, ob man die richtige Ebene sieht, ob man zu abstrakt gedacht und angegriffen hat oder nicht abstrakt genug. Klandestinität und Konspiration bei einer Demonstrationsvorbereitung wider die Sicherheitszonenabsperrung um WTO-Treffen zum Beispiel bedeuten in Zeiten elektronischer Netze und Mobilfunkgeräte etwas ganz anderes als Klandestinität und Konspiration für die Erste Internationale Arbeiterassoziation, Reichweiten und Alarmzeiten müssen mit Abhör- und Sabotagerisiken verrechnet werden. Leute, die nicht verrückt sind, werden Gesetze, die ihre Legitimation aus der Sicherstellung funktionaler sozialer Kohäsion ziehen, nicht als erste brechen, sollten aber darauf vorbereitet sein, daß die Staatsmacht das tut. Immer bleibt zu prüfen, was Variablen sind und was Invarianten, die beiden tauschen, wo Geschichte sich zuträgt, recht oft und manchmal sehr unvorhergesehen die Plätze; die alten Analysen sind nicht wegzuwerfen, sondern schöpferisch zu verbessern – das gilt nicht bloß unterm Umsturzvorzeichen, sondern fürs Allerbürgerlichste. Beispiel Wahlen: Zu Rousseaus Zeiten war das Hauptargument gegen Plebiszite und für Parlamente der Zeitverlust beim Einsammeln aller Stimmen in Angelegenheiten aller; das ist nicht mehr gegeben, dafür hat die Erkennbarkeit des ärgerlichen Tatbestandes, daß in privatwirtschaftlich betriebenen Medienlandschaften weniger mündige Bürger als stimmungsgeleitete Gefolgschaften vorkommen, stark zugenommen, und auch mit Fälschungsrisiken muß sich herumschlagen, wer die veränderten technischen Parameter verstehen und nutzen mag. Medialitäten zu denken heißt immer auch, zu verstehen, daß sie mehrere Dimensionen haben – unter Businessleuten ist die Einsicht, daß gerade die Umstellung auf Netzabsprachen persönliche Treffen umso wichtiger, weil im gleichen Ausmaß kostbarer wie seltener gemacht hat, inzwischen eine Banalität, die so oft erzählt und so nachlässig operativiert wird, daß sie schon wieder nicht mehr stimmt.
    Technische Vorrichtungen befreien Personen und Organisationen von Lasten und zu neuen Funktionen; Parteien oder Gewerkschaften müssen dies und jenes heute nicht mehr leisten, was heute schon die Arbeitszusammenhänge selbst tun (die deutsche Wildcat-Gruppe spricht gar von der »Kooperation, welche die ArbeiterInnen selbst entwickeln«, und beschönigt da nichts), können aber als programmatische Organe und Plattformen der Grundpolitisierung so wichtig sein wie ehedem. Versammlungen sind Orte, deren Auseinandersetzungen man nun mal schwerer fälschen kann als statistische Erhebungen oder andere große Datensammlungen, für die sich Netzsysteme anbieten; ein Sowjetanalogon ohne IT-Stab aber wäre heute ein schlechter Witz. Die Polarität zwischen einerseits weltanschaulich, programmatisch, übersichtstiftend verfaßten Oppositionsgruppen und direkten Interessenvertretungen oder Bündelungen andererseits hebt all das nicht auf; sie müssen zusammengebracht werden, um die Subsumption des Menschenlebens unter das Walten des automatischen Subjekts, den großen Geldapparat, zu brechen. Historisch, das ist das Hoffnungsstiftende am Befund, streben sie tatsächlich immer wieder aufeinander zu, haben dann allerdings auch immer wieder die Andockschwierigkeiten, die Lenin an der Relation zwischen Trade-Unionisten und Parteisozialisten expliziert hat. In der gegenwärtigen »Bewegung der Bewegungen« (Naomi Klein) gegen die profitgetriebene Weltwerdung der Welt des automatischen Subjekts findet man genügend Ereignisse, die das belegen – zum Beispiel in Seattle, 1999:
    Am Rande der ersten Konferenz der Wirtschafts- und Handelsminister der in der WTO vertretenen Staaten auf dem Territorium der USA fanden damals für einen winzigen Augenblick alle möglichen und unmöglichen Unzufriedenheiten mit dem Stand der Dinge zusammen (meint: dem damals in full effect über die Menschengattung hinwegrollenden Anschlag auf sämtliche Errungenschaften der Linken seit Geburt der Arbeiterbewegung, begründet mit der Notwendigkeit, die Welt passend zu machen für die Globalisierung – das Versprechen von Prosperität und Sicherheit wurde schon damals, also vor dem Krieg gegen den Terror, propagandistisch lautstark gegen Freiheit und

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