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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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aus Gründen, die man linksliberal nennen darf (autoritäre und illiberale Philosophiefeindschaft sieht anders aus; sie wird das Literarische am spekulativen Denken stets besonders scharf angehen, nicht positiv als saving grace dieser Art Schriftstellerei hervorheben, wie Rorty das tut). Linksliberales aber kann man nicht nur von rechts schief finden, sondern auch von weiter links. Rorty sagt, daß er gegen den Autonomieanspruch des philosophischen Denkens zwar nichts einzuwenden hat; daß er es aber vorzöge, die Philosophie verstünde sich als eine über die Auseinandersetzung mit ihrer eigenen literarischen Tradition vermittelte Kulturkritik, als Therapeutikum iatrogener Krisen der Vernunft – das klingt dann nicht immer ganz anders als das, was wir uns auch wünschen: »Meiner Ansicht nach findet philosophischer Fortschritt in dem Maße statt, als es uns gelingt, die von unseren Vorfahren übernommenen Weltanschauungen und intuitiven moralischen Gesinnungen mit neuen naturwissenschaftlichen Theorien oder neuen soziopolitischen Institutionen und Theorien bzw. sonstigen Neuheiten in Einklang zu bringen« 220 – kurios daran ist für uns nur, daß er nicht sieht, daß ebendieses Ineinklangbringen, die Überholung der alten Begrifflichkeiten also, die Autonomie der Disziplin und das Markieren genuin philosophischer Probleme gerade verlangt, nicht erübrigt, als das richtige, sozial verantwortete Herauspräparieren ebender Stellen, an denen unsere übernommenen Weltanschauungen und intuitiven moralischen Gesinnungen das Überarbeitetwerden vertragen und verlangen. Gerade das, was er da möchte, geht ja schief, wenn die Philosophie in die neuen soziopolitischen Institutionen oder naturwissenschaftlichen Theorien einfach hineinkollabieren würde. Mehrere Dinge miteinander in Einklang bringen kann man nur, wenn sie zunächst mal als je sie selbst konstituiert sind. Rortys Polemik gegen Philosophen, die für ihr Tun eigene Geltung beanspruchen nicht als Hilfsdisziplin des Lebens im Status der liberalen Ironikerin, sondern Erkenntnisarbeit eigenen Rechts, hat in den letzten zwanzig Jahren zahlreiche Leserinnen gefunden, die den Gedanken, philosophischer Größenwahn müsse abgebaut werden, von ihrem Lehrer aus bis in die Aufklärung zurückverfolgen. Der fleißige Rorty-Leser Jan Philipp Reemtsma entdeckt Rortys Position beim deutschen Aufklärer Wieland, im Roman »Aristipp und einige seiner Zeitgenossen«, den wir im Zusammenhang mit der Emanzipation der Liebe von naturwüchsigen Geschlechterverhältnissen schon kennengelernt haben. Wieland, so Reemtsma im Buch vom ich , habe seinen Aristipp schon sagen lassen, was Rorty heute sagt; dieser Auslegung aber entgegnet Peter Hacks scharf, dieser Aristipp sei nicht die Wielandsche Figur, sondern ein verkleideter Reemtsma (hinter dem dann noch ein Hacks mutmaßlich unbekannter Richard Rorty vermutet werden kann), der idyllisch, elegisch und satirisch (Rorty sagt, wie wir gesehen haben: ironisch) denkt statt philosophisch. Die Schelte ist es wert, daß wir sie in extenso geben, sie gipfelt in dem Satz, den wir Hacks schon eingangs dieses Kapitels haben sagen lassen, wo er Positionen von Marx und Engels gegenübergestellt war, die mit denen Rortys und Reemtsmas bei geradezu entgegengesetzter Begründungsrichtung bemerkenswerterweise den Schluß gemeinsam haben, die Philosophie solle ihren Autonomiewunsch aufgeben – Hacks widerspricht:
    »Reemtsma/Aristipp (…) liebt an den Jungs des Sokrates, den Überlebensphilosophen von der idyllischen, elegischen und satirischen Sorte, eben das, was ihren Mangel ausmacht: daß sie nicht philosophieren können. Es gibt, verkündet er, gar keine Wissenschaft Philosophie. Es gibt nur Einzelwissenschaften. Eigentümlich philosophische Fragen, verkündet er, werden von keinem Gegenstand aufgeworfen, nur von den Philosophieprofessoren, die sich damit ihre Kolleggelder verdienen.
    Ich wiederhole: nicht Wieland/Aristipp verkündet das alles. Ausschließlich Wielands Interpret schiebt es ihm in die Sandalen. ›Der Roman «Aristipp» ist der Versuch zu zeigen, daß es keine Probleme gibt, die die besondere Eigenschaft haben, «philosophisch» zu sein‹ (Reemtsma).
    Aus Platons Phantasie vom ›Philosophenkönig‹ wird – unter Reemtsmas, nicht Wielands Hand – der ›herrscherliche Anspruch‹ der Philosophie. Reemtsma ist nicht nur ein Leugner alles Wissenkönnens. Er ist sogar ein Tadler alles Wissenwollens. Philosophie, sagt er, ist ›im

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