Der Implex
daß alles, was es im Universum gibt, tatsächlich denkt; oder einer der älteren Heroen der Richtung, David Lewis, seine Analyse der Bedeutung kontrafaktischer Sätze im Einklang mit den allerwildesten Traditionslinien der Spekulation (was bei uns, wir erinnern einmal mehr daran, alles von Hegel bis zur Science-fiction einschließt) bis zu dem Punkt führt, da die buchstäbliche Realität (wie erfahrungsunzugänglich auch immer) noch der absurdesten, anti-empirischsten, aber behauptbaren und konstruierbaren Welten führt; oder wenn Mark Johnston den Anglikanismus und die Analysis in einer scharfsinnigen Argumentation zur Rekonstruktion des religiösen Unsterblichkeitsgedankens vermählt – dann kann sich dies alles, weiß Gott, mit den brummigsten Unergründlichkeiten Heideggers, den abseitigsten Verstiegenheiten in Derridas »Glas«, den negativsten Dialektiken des ganz späten Adorno mühelos messen und bleibt dem berühmten kleinen Mann (dem von der Straße in Allensbach) jedenfalls gleichermaßen unverständlich und, wenn er Glück hat, herzlich egal.
Warum reden und schreiben alle diese intelligenten Menschen solchen Unfug? Ist es überhaupt Unfug? Was für ein Unfug ist es, falls es einer ist; und falls nicht: Warum sieht es aus wie Unfug, wenn es keiner ist?
Es ist in der Tat nicht leicht einzusehen, wie man philosophisch nicht trainierten Hirnen erklären soll, was beispielsweise Derrida eigentlich meint, wenn er schreibt, man dürfe nicht behaupten, zuerst sei das gesprochene Wort und dann die Schrift dagewesen, weil es unentscheidbar sei, ob es sich nicht umgekehrt verhalten habe und man über Dinge außerhalb des Texts außerdem ohnehin nicht reden solle, da es so etwas wie ein »außerhalb« des Textes gar nicht gebe. Und wie soll man – damit, noch einmal, niemand meine, wir wollten etwa irgendeine Schule, poststrukturalistisch oder sonstwie angelegt, insgesamt des Obskurantismus überführen; diese müde Entlarvungsarbeit interessiert uns überhaupt nicht – weltklugen, aber in der Analysis nicht bewanderten Leuten vermitteln, was David Lewis mitteilen möchte, wenn er behauptet, es gebe eine Welt, in der Batman und Donald Duck befreundet sind, weil wir Sätze über so eine Welt formulieren können (also nicht nur ein Comicheft, einen Film oder eine Erzählung, in der jenes der Fall ist, sondern eine Welt, auch wenn wir keinen Zugang zu dieser Welt haben)? Wie vermittelt man dem Alltagsbewußtsein, was der Bischof Berkeley meinte, als er lehrte, es könne keine Dinge geben, die nicht gedacht sind, oder was der jüngere Strawson meint, wenn er lehrt, es könne keine Dinge geben, die nicht denken? Was für eine Religion wollte eigentlich Comte gründen, als er die Menschheit zum Gott erklärte, wie konnte Hegel ernsthaft der Meinung sein, daß sein Denken nicht nur auf irgendeine triviale Art erläuterte, wie der Weltgeist zu sich kam, sondern selbst dieses Zusichkommen des Weltgeists sei?
David Stove, ein leidenschaftlicher und oft überzeugender Philosophenhasser von einschüchternder philosophischer Belesenheit, hat die philosophietypische Art zu denken, die in obigen Verstößen gegen die Gewohnheitsvernunft zum Ausdruck kommt, kurzweg »pathologisch« genannt und damit erklärt, die einschlägige Doxographie wäre eigentlich nur als Nosologie und Diagnostik zu machen. Wer so fragt wie die oben mit einigen ihrer Lieblingsfragen und Antworten herbeizitierten Leute, bietet dem praktischen Denken keine Verständigungsgrundlage an. Eine mögliche Erklärung, die dem principle of charity der Analysis verpflichtet ist (es stammt in seiner entwickelten Form von Quine und Davidson, nämlich deren Übersetzungs- und Interpretationstheorie, und besagt etwa: Wenn jemand unverständlich zu reden scheint, liegt das nicht am Irrsinn, am Begriffsschema oder der pluralité des mondes , sondern an Informationsmangel und diskursiver Kontextunterbestimmtheit), läßt sich aus der Beobachtung der tatsächlichen (nicht der auf die jeweiligen Autonomiebegründungen und Selbstrechtfertigung gestellten) Beziehung zwischen der Philosophie und den Einzelwissenschaften gewinnen: Stove selbst erinnert daran, daß einige der seltsamsten Problemstellungen der Philosophie seit der Aufklärung aus Verallgemeinerungen oder Präzisierungen einzelwissenschaftlicher Rätsel gewonnen wurden, und erinnert an Quines Vermutung, Wissenschaft und Philosophie seien möglicherweise Spektrenmarken desselben Kontinuums, sowie an
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