Der Implex
umgewidmet werden kann, das sich die Frage etwa ersparen könnte, was an die Stelle der in Zeiten von jobless growth und sogenannter struktureller Arbeitslosigkeit als unzulänglich gewordener Sozialkitt erweisenden Lohnarbeit treten soll.
Wenn wir dem nun entgegenhalten, daß Vergesellschaftung (anders als, zu gewissen von Luhmann stets klar herausgearbeiteten heuristischen Zwecken, Gesellschaft) nur um den Preis des Geschichtsverlusts und der Einbuße aller politischen Handlungsmöglichkeiten zur Verbesserung des Gemeinwesens auf Datenaustausch reduziert werden kann, dann wollen wir nicht auf irgendeinen metaphysischen Unterschied zwischen dem Primären und dem Sekundären hinaus, nicht auf die öde, banale und geschenkte Differenz zwischen Schein und Sein, auch nicht auf das Lob der Hausmusik, des guten Buches, des Fußballvereins oder des Waldspaziergangs. Es geht uns um etwas ganz anderes: darum, daß eine Gesellschaft bereits (anders als zum Beispiel die chinesische, deren Regierung deshalb, nicht nur aus banal politischen Gründen also, auch ihre liebe Not mit dem Internet hat) hochproduktiv, in extrem verfeinertem Grade arbeitsteilig und also überaus reich sein muß, um auch nur die Rechner hervorzubringen, die Kabel zu verlegen oder die Satelliten in Betrieb zu nehmen, ohne die das ganze wunderbare Netz unmöglich wäre. Wenn man von diesem (absoluten wie relativen) Reichtum nicht redet, verstellt man sich und anderen die Möglichkeit, ihn noch zu ganz anderen segensreichen Dingen zu verwenden als dazu, einander nette Filmchen, lustige Bildchen, erfreuliche Textchen zuzufunken oder Arbeitsgruppen von Designern und Content-Providerinnen zu bilden, die alles in den Schatten stellen, was in der alten Welt der Zeitungen und kartoffelbedruckten Textilien üblich war.
Sobald man so tut, als ob der Zugang zu Kevin Kellys » better possibilities « bereits in irgendeinem signifikanten Sinn für alle gleich sei, unterschlägt man die interessantesten Chancen, die das Medium und alles, was daran hängt, den Menschen eröffnet: diejenigen, Zugang, Besitztitel, Vermögen tatsächlich anders zu organisieren, als das in privateigentümlichen Sozietäten üblich war.
Ein Beispiel: Heute kann man einen Freund oder eine Freundin nicht nur in Clubs, beim Einkaufen oder bei der Arbeit finden, sondern auch im Netz, aber das ist nicht einfach ein Wunder des Maschinengottes, sondern war exakt vorauszusehen, sobald man, wie das in den Neunzigern des verflossenen Jahrhunderts zuerst geschah, zum Beispiel Erdöl nicht mehr nur in Alaska oder im südchinesischen Meer finden konnte, sondern an den Börsen. Öl finden an der Wall Street? Das ging so: Nicht nur Autofahren, Maschinenbetrieb oder das Beheizen von geschlossenen Räumen, sondern sehr viele andere Güter und Dienstleistungen beinhalten Energiekosten. Deshalb wurden vor rund zwanzig Jahren plötzlich öffentlich gehandelte Firmen mit unterbewerteten Öl- und Gasreserven zu lohnenden Zielen für Aktienhändler und Spezialisten für Fusionen und Übernahmen. Aber, und hier wird, was wir mit Reichtum meinen, konkret: Nur bereits recht reiche Leute hatten und haben die Ressourcen-Flexibilität, die künftige Ölpreisentwicklung durch den Erwerb von und den Handel mit entsprechenden Aktien zu beeinflussen; schon der gehobene Mittelstand, soweit es ihn noch gibt, muß damit leben, daß die eigenen Geldmittel eher in Immobilien und anderen Anlageformen gebunden sind. Zur Zeit der letzten größeren Sorgen um die kapitalistische Ölwirtschaft vor dem Ende des Kalten Krieges, in den späten Siebzigern, dauerte es Monate, mitunter gar Jahre, bis eine Preisschwankung am Rohstoffmarkt ihre wellenförmigen Auswirkungen durch alle dafür erreichbaren Industrien und Branchen geschickt hatte, von Kostenveränderungen bis zu Lohn-Preis-Spiralen. Heute geschieht so etwas in Millisekunden: Es gibt detaillierte Computermodelle der Weltwirtschaft, die sofort Alarm auslösen und den Kauf und Verkauf von allem möglichen beeinflussen, Telekom bis Panzerwaffen, Aluminium bis Zink, Yen bis Euro. Gesellschaft bedeutet, daß man mehr produzieren kann, als man zum unmittelbaren Verzehr benötigt, Gesellschaft ist, als Arbeitsteilung, der Schritt weg vom Prinzip »Von der Hand in den Mund«, der Schritt, durch den ein Mehrprodukt erwirtschaftet werden kann, der Schritt zum Plan, der Schritt zum Horten von Reichtum, der Schritt zur Verteilung und zum Tausch – wenn ich mehr habe, als ich
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