Der Implex
weniger Leute (das kleine Zahnrad dreht sich schnell) und die zur Arbeit gezwungene Armut vieler sind (das große dreht sich langsam):
»Heute behaupten, daß, weil alle Bedürfnisse aller Arbeiter befriedigt waren, sich die Menschen der Erzeugung von Produkten höherer Ordnung, komplizierterer Industrien haben widmen können, das hieße, von dem Klassengegensatz abstrahieren und die ganze historische Entwicklung auf den Kopf stellen. Das wäre dasselbe, als ob man sagen wollte, daß, weil man unter den römischen Kaisern Muränen in künstlichen Teichen ernährte, man die ganze römische Bevölkerung im Überfluß ernähren konnte; während gerade im Gegenteil das römische Volk des Nötigsten entbehrte, um Brot zu kaufen, die römischen Aristokraten hingegen nicht der Sklaven ermangelten, um sie den Muränen als Futter vorzuwerfen.« 16
Das ethische Übel wird konstatiert, bei Marx aber sowenig bejammert wie bei Barbauld, beide konstatieren lieber: Die verfeinerten (für Puritaner: dekadenten) Bedürfnisse zwingen sie, ihr Regime zu entwickeln, ihre Herrschaftsweise und die Erzeugungsverhältnisse, die da beherrscht werden, und zieht man die Linie weiter, so mag einmal das allerdekadenteste Bedürfnis sich melden, eine Form von Freiheit zu erleben, welche die Freien über alle Heimeligkeit des Urkommunismus erhebt – »Mit dem Moment, wo die Zivilisation beginnt, beginnt die Produktion sich aufzubauen auf den Gegensatz der Berufe, der Stände, der Klassen, schließlich auf den Gegensatz zwischen angehäufter und unmittelbarer Arbeit. Ohne Gegensatz kein Fortschritt; das ist das Gesetz, dem die Zivilisation bis heute gefolgt ist« 17 – man kann die Gesellschaft, die man befehligt, nicht zur Befriedigung anspruchsvoller Bedürfnisse anhalten, ohne ihre Einrichtung selbst anspruchsvoller zu machen; die Klassengegensätze sind die heimliche Einfallspforte der Anspruchshebung des Gesellschaftsgesamten, Vorschein neuer Subjektivitätsoptionen, und üben Zwang aus auch gegen die herrschende Klasse, nicht völlig manierenlos, formlos zu existieren, mit den anderen Klassen in Verhandlungen zu treten (welche Kehrseite, Fortsetzung und Vorbereitung von Kämpfen im strengen Wortsinn sind), kurz, Verkehrsverhältnisse zu entwickeln – im Bild Barbaulds: »The wants of taste, and they alone, supply a gradation of ranks; for the man who is able to administer to the more refined pleasures of life, himself requires to be placed several rounds above the foot of the ladder.« 18 Der Feinschmecker bezahlt den Chefkoch, dessen Ausbildung aber macht ihn selbstbewußt. Die Fabriken haben die Arbeiter des 19. Jahrhunderts dazu gebracht, etwas auf sich zu halten, als auf diejenigen, die den Betrieb erlauben, und sie auf die Organisation, das Renitentwerden als Arbeiterbewegung, besser vorbereitet, als jedes schläfrig-halbfreie Landleben ohne Werkssirene und Aufseher das je hätte tun können. Auf was für Ideen könnte die computerisierte Fellachenwirtschaft ihre Callcenter-Sklaven bringen, denen man sagt, sie seien die Daten-Kärrner und gesichtslosen Techniki, ohne welche die Info-Ära nicht zu denken gehe?
Zweitens : Damit nicht genug, ist die Klassengesellschaft, weil sie Arbeitsteilung impliziert, Herstellerin nicht allein von Knechtsselbstbewußtsein, sondern sogar realinformationellen, datengeleitet implikatregulierenden Abhängigkeiten der Herrschenden von den Beherrschten, die der Hordenpatriarch umherschweifender Jäger- und Sammlerclans so nicht kennt –
»of this no artificial state of society, no station of inferiority, not even a state of slavery itself, can entirely divest its possessor. Skill is power. The owner of a lare house and domain may call himself, if he pleases, the master of them, and in a certain sense he is so, for all his dependants are labouring for him; but he cannot deprive his steward, his butler, his gardener, his cook, even his dairy maid, of that importance which arises from their understanding what he does not understand.« 19
Es gibt in der Klassengesellschaft, sagt Barbauld, ein Unterdrücktenwissen, das nicht erst in historischen Ausnahmezuständen geeignet ist, dem sagenumwobenen »Herrschaftswissen« die Kompaßnadel zum Drehwurm zu machen. Der Denkansatz hat im frühen einundzwanzigsten Jahrhundert, in dem die dairy maid womöglich eine Migrantin ist, die mehr Herrenworte kennt als der Herr solche in ihrer Sprache, manches für sich. Die operativen Schlüsse, die sich daraus ziehen
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