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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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jedoch, daß die Wissenschaft ihn mitunter auch nicht richtiger benennen kann, was mal logische Gründe hat, dann wieder solche des Standes der wissenschaftlichen Produktivkräfte, folgt wieder nicht, was manche daraus folgen lassen, nämlich daß an der verkehrten, aber poetischen Bestimmung »doch irgend etwas dran« sein müsse. Aus dem Match »Wissen gegen Glauben« wurde zu Unrecht sowohl von Aufgeklärten wie Gläubigen ein Nullsummenspiel gemacht, bei dem also die eine Partei immer gewinnen sollte, wo die andere verlor. Die Erklärungs-, Vorhersage- und Produktivkraftbefreiungsmacht der Einzelwissenschaften daran messen zu wollen, wie weit sie der Philosophie oder der Religion in deren propria zu greifen vermochte, war stets ein Blödsinn, der aus der Versuchung der Anspruchsumleitung erwuchs und von Leibnizens lingua characteristica universalis bis zu ein paar sehr häßlichen Stellen bei Bacon, an denen dieser, wie ihm etwa Paul Corfield in Towards a philosophy of real mathematics mit Recht verübelt, das zutreffende logische Schließen mit einer unfehlbaren Maschine vergleicht, wird die Vernunftpropaganda durch die Jahrhunderte von einigen argen Makeln entstellt, die diesem Blödsinn geschuldet sind. All dem zum Trotz jedoch kann man über den »Induktivismus«, den Popper, ein radikaler Feyerabend sowie ganze Heerscharen von Neopyrrhonistinnen und Erfahrungszweifler bekämpft haben, festhalten, daß er eine Karikatur dessen ist, was bei Bacon, in der Enzyklopädie oder bei Leibniz steht. Wie das Naturrecht gehören die Annahmen »Es gibt eine einheitliche, isotrope Welt«, »Unsere Sinnesorgane und unser Denkvermögen gehören auch dazu und sind Ergebnisse adaptiver Komplexitätsentwicklung, die in diesem Kontinuum gewisse Überlebens- und Fortpflanzungserfolge erzielt haben«, »Der weiteren Verbesserung darf man sich mit einiger Aussicht auf Erfolg widmen« zu der Sorte Denkvoraussetzungen, die denen, die sie setzen, hinreichende Motivation dafür liefern können, sie als Praxisziele anzustreben und sozial zu erreichen. Die wenigen (es werden aber vielleicht, wenn wir die Literatur richtig überblicken, gerade wieder ein paar mehr), die es sich heute angelegen sein lassen, die alte Baconsche Linie fortzuführen, argumentieren ganz im Sinne seines impliziten wie expliziten Perfektibilismus erheblich anspruchsvoller, als er selbst je hätte können, weil sie so viele Einwände gegen diese Linie überwunden haben und fortgesetzt überwinden müssen, die aus der Entwicklung der Einzelwissenschaften wie aus der Methodendiskussionsgeschichte stammen, daß dieser Umstand allein, also die streitbare sophistication selbst so robuster Polemiker wie der »australischen Materialisten« um Armstrong und Stove, die etwa den Naturgesetzbegriff auf den Stand der nachklassischen, das heißt quantenmechanisch und relativistisch unterrichteten Physik bringen und die damit korrelierte erstaunliche Wahrheit, daß Bacon selbst den dabei nötigen Beweisgängen vermutlich nicht einmal hätte folgen können, wenn er gewollt hätte, zwei schöne Belege für seine Vorstellungen von der Entfaltung des fortschreitenden Wissens auf dem Weg der adaptiven Komplexitätsgewinnung durch rationale Operativierung der Induktion abgeben.
     
    Nicht nur auf der Seite der Metatheorie aber, sondern auch in der wirklichen Forschung steht die Induktion seit etwa zwei Dekaden erheblich besser da, als die Exzesse der Wissenschaftsproblematisierung des zwanzigsten Jahrhunderts nahelegen wollten. Donald Gillies hat Mitte der neunziger Jahre auf der Basis der simulationstechnischen Fortschritte die Frage neu gestellt, ob nicht selbst die Karikatur der Induktion, die Popper, Feyerabend und andere angefertigt haben, um sie abzuschießen, eine funktionierende Realentsprechung hat, bei der echte Erkenntnisgewinne herausspringen; ob man also tatsächlich an Haupt und Gliedern vollständige, lebensfähige wissenschaftliche Theorien aus mehr oder weniger »rohen« Datenströmen generieren kann. Die Antwort fiel vorsichtig optimistisch aus.
     
    Ein Beispiel: Seit einigen Jahrzehnten betreiben pharmazeutische Firmen etwas, das sie »mechanische Falsifizierung« nennen: Große Mengen von Gemischen werden hergestellt und auf verschiedene erwünschte und unerwünschte Eigenschaften industriell getestet; die Suche ist zwar nicht blind im Popperschen Sinne, also nur, ganz wie die Pyrrhonistik will, von theoretischem Vorverständnis der Pharmachemie geleitet, das

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