Der Implex
von seltsamen Maschinen hervorgebracht; selbst da, wo gehört, gesehen, benutzt, gebraucht, erfahren, konsumiert und über all das geredet, geschrieben, gedacht wird, entstehen Neuigkeiten, selbst die sogenannte »Rezeption« kann man ebensogut »Produktion« nennen, weil sie mehr hervorbringt als abnutzt, mehr herstellt als auffrißt, mehr zusammensetzt als verbrennt. Wir haben im fünften Kapitel Maschinen definiert als etwas, das etwas anderes herstellt oder dabei hilft, und müssen also, wenn wir von den Maschinen der Künste reden, damit rechnen, von berufener und weniger berufener Seite daran erinnert zu werden, daß wir damit bereits eine Vorentscheidung zugunsten einer an Werken orientierten Kunstauffassung getroffen haben, die heute, da man in der Beschäftigung mit Kunst außer von Werken auch von Prozessen, Relationen und ähnlichen dem Dingschema entrückten Angelegenheiten zu sprechen gelernt hat, antiquiert bis reaktionär aussehen mag. Das Mißverständnis mag fortbestehen, wenn wir deutlich sagen, daß die Verlegenheit, die dazu geführt hat, anstelle des Werkbegriffs etwa in der deutschsprachigen Kunstkritik von »Arbeiten« zu reden, weil dabei immerhin die Erinnerung an ein wichtiges Werk mitschwingt, uns nicht betrifft, weil die Werke, die wir erwähnen müssen, um unseren Maschinenbegriff im Betreff der Künste zu erläutern, eben nicht das schmutzige kleine Geheimnis des bürgerlichen Werkbegriffs verleugnen müssen, daß da, wo »Werk« draufsteht, immer »Ware« gemeint ist, sondern die Betrachtung künstlerischer Praktiken unter dem Aspekt der Produktion von Produktionsmitteln unser Verfahren ist, das Ineinander und Gegeneinander von Tauschwert und Gebrauchswert zu thematisieren, statt es zu verbergen, wie das mithilfe des bürgerlichen Werkbegriffs (und des ihm als Schein des letzten über seine Produktionsmittel frei verfügenden Kleinproduzenten, des Künstlers, supplementierten Geniebegriffs) – jenes Ineinander, das seit der marktvermittelten Autonomisierung der Kunstsphäre im Gefolge ihrer Emanzipation vom ständischen Mäzenswesen, welches in der Hochmoderne allmählich durch ein kapitalistisches Mäzenswesen ersetzt wird, dessen Marktgestalt interessanterweise den Spielcharakter der Künste selbst verdoppelt: Wie Kunst Erkennen spielt, spielt der Kunstmarkt Markt, und ist doch genauso wirklich einer, wie die Erkenntnisse, die sich an Kunstwerken gewinnen lassen, wirkliche sind.
Maschinen als basale Funktionseinheiten dessen, was wir Technik nennen, sind uns Operationalisierung derjenigen Hexis und Praxis, die das Zwecklose (die Natur) unter Zwecke setzen. Die Besonderheit derjenigen Maschinen, welche die Künste hervorbringen und die von den Künsten hervorgebracht werden, ist nun, daß diese Zwecksetzungen maximal unterbestimmt sind, daß der Grenzwert des Kunstzwecks die Verfügung über alle Zwecke dergestalt ist, daß sie sämtlich selbst wieder zu Mitteln taugen sollen für weitere Zwecke, daß das Probehandeln also das Handeln aufschiebt, daß daraus erstens Lust und zweitens Bedeutung entsteht – Bedeutung als die sozusagen leere Form des Zwecks an sich, daß irgend etwas für irgendein anderes stehen kann. Kunstwerke, künstlerische Arbeiten, künstlerische Prozesse, Kunsterfahrungen sind unpraktische, antipragmatische Maschinen, an denen dann freilich andere Zwecke haften können, etwa ideologische, sexuelle, ökonomische. Der in vielen Sprachen vorkommende Gebrauch von Wörtern aus dem Bedeutungsbereich der Künste für keineswegs zweckfreie Gegenstände oder Handlungen wie etwa die »Kunst des Krieges« oder das »Meisterwerk der Gesetzgebung«, Gegenstände und Handlungen also, deren Vollendungsgrad, Schönheit, Attraktivität daran gemessen wird, daß nichts ihnen Äußerliches ihre Zweckgerichtetheit stört, weist darauf hin, daß Zweckfreiheit eben keine Bedingung fürs Vorliegen von etwas den Künsten Zugehörigem oder damit Verwandtem ist, sondern im Gegenteil das besonders explizite Hervortreten der Gerichtetheit auf menschengemachte Zwecke ohne Spuren von diesen selbst feindlicher, äußerlicher, sie störender Gewalt, fremden Willens et cetera – was »sich selbst genügt« und keinen fremden Zwecken, gilt als Kunst oder kunstaffin, und wenn es keinen anderen Weg gibt, diese Störung durch Fremdes, diese Heteronomie zu verhindern, als zu erklären, der Zweck einer Sache sei eben, daß sie keinen habe, dann wird auch dieser Weg – l’art pour l’art –
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