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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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diese Unfähigkeit retrospektiv um die Ohren zu hauen – denselben Fehler macht Kant ja, mit eiserner und fast schon wieder bewunderungswürdiger Zwangsläufigkeit, in seiner berühmten Aufklärungsdefinition, in welcher die Unmündigkeit »selbstverschuldet« ist, womit der Alleszermalmer noch hinter die plumpste Priestertrugstheorie des französischen Materialismus zurückfällt. Symmetrisch zum Unvermögen der Aufklärung, die künstlerischen Dinge auf dem Niveau der sich abzeichnenden kapitalistischen Realität zu denken, ist auch die Kunst der Aufklärung selbst nichts gegen die hochbürgerliche, und hält man Wieland gegen Goethe oder Musik, wie sie Thomas Paines Herz erfreut haben wird – James Hewitt schreibt neun Variationen von »Yankee Doodle« fürs Cembalo –, neben Beethoven, weiß man genug. Peter Hacks:
    »Goethe sprach über Wieland so angemessen, wie die Klassik über die Aufklärung, deren größergewachsenes Kind sie ist, äußersten und freundwilligsten Falls sprechen kann. Heines Nachruf auf Nicolai klingt viel schnöder, ist aber genauso liebevoll. Unsere Klassiker sind keine Vatermörder. Sie stehen im Widerspruch zur Aufklärung insofern, als der Höhepunkt einer Sache im Widerspruch zu deren gewöhnlicher Seinsweise einmal stehen muß. Sie machen den Sprung, der sie von der Aufklärung trennt, deutlich und nehmen sie im übrigen gegen die gemeinsame Krätze, die Romantik, in Schutz.« 270
    Die Klassik schätzte indes Adorno nicht höher als die Romantik, deren gebrochene Sache, Fragment, verletzte Unendlichkeit ihm vielmehr schon Beckett präfiguriert haben muß. Aus dieser Liebe zu den Echos des Zerbrechens der Aufklärung in der Kunst, aus dieser Distanz zu ihrer Überwindung ins Gelungenere, die mit Adornos politischen Erfahrungen mehr zu tun hat als mit seinen ästhetischen Reflexionen als solchen, aber speist sich die dem Kantischen Fehler komplementäre Schwäche der Kritischen Theorie, Kunst anders als mit dem brennendsten Interesse, dafür aber ohne Wohlgefallen zu betrachten. Die Nähe dessen, der ein Kerzlein für die Kleinproduzenten der Avantgarde anzündet, zu Manufactum-Kitsch und dem Kunstgewerbe des Unverdaulichen, das in den siebziger Jahren entstand, ist unerfreulich, aber leicht aus ihren Denkvoraussetzungen herzuleiten; die Teilnahme von Millionen am Kulturindustriellen, die Standardisierung der Befriedigung der in der Dialektik der Aufklärung verächtlich als »gleiche Bedürfnisse« aller Massenindividuen angeschwärzten Sehnsüchte hat ihre Nachtseite in einem depressiven Elitismus, der gegen die Vermassung im Grunde nichts Schlaueres zu sagen weiß, als daß die Seele doch etwas Einzigartiges sei, und übersieht, daß Vermassung nur die eine, Vereinzelung aber die andere Seite der automatischen Knechtung ist, die das abstrakte Realverhältnis über alle, auch die Avantgarde und ihre liebenden Enkomiasten, verhängt. Ist das Entindividualisierte der »gleichen Bedürfnisse« nicht vom Neoliberalismus behoben? In Wahrheit machen Adorno und Horkheimer das Kunstproblem mit ihrer These von den Massen an der kulturindustriellen Tränke zu einem Rezeptions-, also, ökonomisch gesprochen, zu einem Verteilungsproblem, als wären sie grenznutzentheoretisierende Antimarxisten, die nicht imstande sind, es als Produktions- und Eigentumsproblem zu formulieren. Nicht der Standard macht die Massenware »billig« im Doppelsinn, sondern der Profitimperativ, der Passivitätsvorwurf ans Publikum, der in der Kulturindustriepolemik steckt, ist so zutiefst ungerecht, wie die situationistische Beschimpfung des »Spektakels« einseitig war, die sich kein Zeitalter vorstellen konnte, in dem wie in der Gegenwart nach einem treffenden Wort von Diedrich Diederichsen »Partizipation« das neue Spektakel ist. Nicht daß sie gleich sind, entwertet die Produkte der Serienproduktion, sondern daß sie gleichgültig sind gegen die legitimen Zwecke sowohl derer, die sie produzieren, wie derer, die an ihnen Kunsterfahrungen machen, ist das Verwerfliche an ihnen. Das war nicht immer so – Balzac und Dickens haben auch in Serie produziert und Massen erreicht; als alles Bürgerliche gegenüber den feudalen Resten einen Fortschritt bedeutete, war das auch in der Kultur der Fall.
     
    Immer weitergeschrieben – die Voraussetzung für die Verwertungsweise der Serie – hat Dickens aus durchaus kunstimmanenten Gründen, die Kunstschaffende auch in einer freien Gesellschaft haben könnten, weil nämlich nie

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