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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Entropie im neuen Gemisch wird zunehmen, soweit man voraussetzen kann, daß die Teilchen, aus denen die Gase in beiden Hälften bestanden, unterscheidbar sind. Sind sie es jedoch nicht, weil die beiden Gase dasselbe Gas sind, nimmt die Entropie nicht zu, es ist sozusagen gar nichts passiert – was, wenn es stimmt, darauf hinausläuft, daß der Entropiebegriff und die Vorstellung von Zeitpfeilen und Irreversibilität jeweils davon abhängen, wieviel wir wissen, woraus folgen würde, daß diese Begriffe im klassisch Baconschen Sinn nicht objektivierbar sind. Zwar gibt es eine quantenmechanische, auf die spezielle Beschaffenheit der Elementarteilchen selbst abhebende Definitionsauflösung des Paradoxons, von der wir aber gerne absehen wollen, weil die operativen Schwierigkeiten dieser Theorie seit nun auch schon nahezu hundert Jahren allerlei gnostischen Trickbetrügereien die Pforten der Wahrnehmung öffnen und wir dem möglichst nicht Vorschub leisten möchten.
     
    Die eigentliche Lösung im Rahmen der Art und Weise, wie auch wir den Informationsbegriff (und seinen historisch-politisch-wissenschaftlich-technisch-ästhetischen Spezialfall, den Implexbegriff) denken, hat Josiah Willard Gibbs, nach dem das Rätsel benannt ist, selbst bereits gegeben – sie hängt daran, was man unter »dasselbe Gas« versteht, einer Wendung, die nach Gibbs keinen stimmigen Gebrauch zuläßt, wenn man nicht damit meint, daß sich keine technische Vorrichtung, keine Maschine im Sinne unseres fünften Kapitels konstruieren läßt, die in der Lage wäre, nach dem Herausziehen der Trennwand am einzelnen Gasteilchen abzulesen, von welcher Seite, aus welchem Gasvolumen es ins neue Gesamtgemisch geraten ist, es sei denn, der Apparat wäre ihrer gesamten Bahn gefolgt, und die angemessene Entropiebestimmung folglich an den physischen Beschränkungen des Systems, das heißt dem Gesamten der möglichen (!) Messungen hängt, und die sind etwas Objektives, aber eben kein Ding, sondern ein Verhältnis. Information ist keine Eigenschaft physikalischer Objekte, sondern ein Verhältnis zwischen diesen Eigenschaften und unseren Handlungsoptionen an diesen Objekten, aber beide muß es in dem Sinn, den der zweite Satz dieses Kapitels ausspricht, wirklich geben, und damit ist es nichts mit der billigen liquidatorischen Rede von Subjektivität oder Relativität, die sich so gerne um diese Sorte Gegenstände ringelt. Auf der anderen Seite der ideologischen Zurücknahme der Information ins Individuum freilich lauert die Lehre, die sie ihm strikt antagonistisch entgegensetzt, als wäre das Individuum sozusagen das Außen der Information, das berufen ist, sie anzunehmen oder abzulehnen, oder als wäre die Information das Außen des Individuums, an dem es gesundet und sich bereichert, wenn es zuwenig gewußt hat, oder verzweifelt, weil ihm zuviel wird, was es weiß, wissen kann, wissen soll. Wieder einmal wird aus einer Erzeugungsfrage so eine Verteilungsfrage gemacht und das eigentliche Problem eskamotiert; die Dinge liegen aber inzwischen so, daß das weniger rätlich erscheint denn je: Eine Forschungsgruppe von der School of Information Management and Systems in Berkeley hat ausgerechnet, daß die Menschheit in ihrer bisherigen Speicher- und Verarbeitungsgeschichte vor Erfindung und Verbreitung des Computers schon Datenmassen von zwölf Exabyte angehäuft hatte. Das sind zehn hoch achtzehn Bytes, ein DVD-Video von fünfzigtausend Jahren Laufzeit. Demgegenüber hatte man allein im Jahr 2002, dem Jahr, bevor jene Gelehrten ihre Studie durchführten, auf bedruckten, gefilmten, magnetischen, optischen Medien weitere fünf Exabytes ins Diesseits gehoben. Zwischen 2006 und 2010 hat sich die zuhandene Gesamtmenge der abgelegten Daten mehr als versechsfacht, von 161 Exabyte zu 988. Wir haben seither die Zettabyteschranke überschritten – ein Zettabyte, das sind tausend Exabytes.
    Diese Zahlen sind nicht Planspiele im platonischen Reich der Mathesis, sondern sozioökonomische Kennziffern; man wird sie daran eichen müssen, daß derzeit eine einzige Google-Anfrage soviel Energie (in der Terminologie der britischen Väter der Wirtschaftswissenschaften: soviel gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit) frißt, wie eine Stunde strahlender Zimmerbeleuchtung und energetometrische Erhebungen es den Statistikern erlauben, auszurechnen, daß der Betriebsaufwand der digitalen informationalen Speicher-, Codierungs- und Übermittlungsdispositive der Weltgesellschaft schon 2020

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