Der Implex
und so weiter wissen sollte. Selbst kluge Sozialistinnen und Sozialisten noch in einer Zeit, welche die Koordinations- und andere Kopfarbeit mittels der Kybernetik schon so zu reduzieren begonnen hatte wie die Dampfkraft die Muskelarbeit, etwa Peter Hacks, hielten die bei Marx allerdings auch immer nur skizzenhaft ausgeführte Perspektive auf eine maximale Zurückdrängung der Arbeitsteilung (die ja, soweit sie nötig bleiben wird, der allseitigen Entfaltung der nicht erpreßten, nicht erpreßbaren Leute zu Geschöpfen wie Schöpferinnen ihrer energetischen wie informationellen Möglichkeiten stets bis zu einem gewissen Grad im Wege stehen muß) für utopisches Gedankengut; selten dagegen war in Wahrheit Marx irgendwo instinktsicherer beim Explizieren produktivkraftentsprungener Implikaturen für die Produktionsverhältnisbildung. Die Umwälzung, die auf der Tagesordnung steht, ist vor allem eine gigantische Lernerfahrung; man sollte das Luxemburgsche Fortschrittskriterium, wonach eine Gesellschaft um so weiter fortgeschritten ist, je mehr Produktionsmittel und je weniger Konsumptionsmittel anteilig bei ihrer Verausgabung allgemeiner Arbeitskraft hervorgebracht werden, informatisch neu formulieren dahingehend, daß der Gradmesser der Entwicklungsgeschwindigkeit das Ausmaß ist, in dem man nicht mehr lernt, was ist oder war, sondern lernt, wie man lernt, was noch nicht ist und wie man es aus dem, was ist oder war, hervorbringt. Der Charakter des Kommunen wird, bedingt von der veränderten Subjektkonstitution und diese wiederum vice versa mitbedingend, sich dahin wandeln, daß die Semantik der Informationen, die im Gemeinwesen getauscht werden, weniger oft assoziativ gebunden, weniger häufig als Ausdruck oder Widerspiegelung des ideologisch verzerrenden Strahlungswindes der bestehenden Produktionsverhältnisse, kurz eher produktiv als repräsentational gelesen werden: Der berühmte und vielbeklagte »Sensationalismus« des Medienbetriebs im Kapitalismus etwa kommt ja weniger, wie vulgärideologiekritische Einlassungen ihrer selber auf (allerdings eher epistemische als ontische) Sensationen fixierten Klientel weismachen wollen, daher, daß Informationen in diesem eine Ware sind, als daher, daß etwa Meldungen über Naturkatastrophen oder große Unfälle der Technik als Verstärker ohnehin vorhandener Angst vor dem Wettbewerbsnachteil, der Arbeits- und Obdachlosigkeit, kurz Aktualisierungen latent vom Gemeinwesen gegen alle Einzelnen stets bereitgehaltener Drohungen wirken. Wer nicht mehr soviel Angst um seinen Platz unter den Menschen hat, diskutiert beweglicher und läßt sich weniger schnell in Panik versetzen oder als Mob mobilisieren; erst da aber, wo die Dinge so liegen, nicht in einer »Informationsgesellschaft«, welche lediglich das Tapetenmuster einer Mietwohnung ist, für die man sich krummlegen muß, kann Information auch wirklich die »difference that makes a difference« sein, als die Gregory Bateson sie elegant bestimmt hat, statt bloße Erinnerung ans Unterdrückt- und Ausgeschlossensein, ans Ausgebeutet- und Betrogenwerden, an die schiere Nichtigkeit derjenigen, die man angeblich informiert oder von denen man angeblich Informationen einfordert. Was »aufgeklärte Menschen« überhaupt wären, wird man erst wissen, wenn man wissen wird, was eine Gesellschaft aus nichtausgebeuteten, nichtunterdrückten Menschen erlebt; vielleicht weiß man bis dahin noch gar nicht, was »verstehen«, »etwas behaupten« oder »sich mitteilen« eigentlich meint – Ted Chiang hat 1991 in seiner Erzählung Understand die Selbstaufklärung eines in diesem Sinne freien Menschen bis ins Körperschema, in die enervierte Leiblichkeit nachgezeichnet, der mit den Füßen so geschickt ist wie mit den Händen, Herztätigkeit, Pulsfrequenz, Temperatur der Haut, Schmerzempfinden, Blutdruck willkürlich regulieren kann, somatische Bewußtheit selbst der Nierenfunktionen erlebt, sein eigenes Denken versteht und reprogrammiert – alles das sind yogische Bilder körpernarrativer Künste für den Moment, an dem der autoritäre Gegensatz zwischen dem faschistisch gestählten und dem verkommenen wie der kapitalistische zwischen dem effizienten und dem im Rausch sich verausgabenden und der Verwertung entziehenden Körper zusammenbricht, für ein Seiner-selbst-Innewerden, dessen politische Gestalt man sehr vage »Selbstbestimmung« genannt hat – bei Valéry vorausgeahnt, an der Stelle in den Notizheften, die von einem denkbaren Individuum
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