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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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gleichzeitiger Meidung der Versuchung, nun etwa alle Einzelwissenschaften auf die Informatik oder die Energetik reduzieren zu wollen, wie man einfältigerweise versucht hat, die Biologie auf Chemie und die Chemie auf Physik zu reduzieren (wären wir in neckischer Laune, könnten wir in Nachahmung Heideggers sagen: aus Implexvergessenheit). Der Unterschied zwischen »notwendig« und »hinreichend« wird dem reduktionistischen Ehrgeiz zu leicht geopfert: Daraus, daß man ohne Physik keine Chemie und ohne Chemie keine Biologie treiben kann, folgt für die Katalyse oder den Pfeilgiftfrosch viel, aber nicht alles, was sie ausmacht. Unsympathisch ist uns gleichwohl der dem Reduktionismus gern antagonistisch gegenübergestellte »Holismus« – wir werden den Verdacht nicht los, daß der nur ein Tarnname für den Reduktionismus ist, den er immer dann führt, wenn er aufs Ganze geht. Man kann nicht nur, und töricht genug, alles auf manches oder gar eines reduzieren, sondern auch vieles oder manches auf alles; wer’s nicht glaubt, lese die schwächsten Absätze bei Hegel und gewinne dadurch noch die betriebsblindeste Fachidiotie richtig lieb. Was die Transmission zwischen wissenschaftlicher Fachöffentlichkeit, technischer Anwendungsöffentlichkeit und politisch-sozialer Demokratie angeht, wird besondere Aufmerksamkeit darauf verwendet werden müssen, die prozessualen Besonderheiten des wissenschaftlichen Denkens in der öffentlichen Hexis und Praxis zu explizieren, zur Not auch auf Kosten der resultativen: daß die Leute wissen, welche Arten sich wann von welchen Arten wie geschieden haben, ist weniger wichtig, als daß sie wissen (also: wiedergeben, anwenden, für sich selbst entdecken und reflektieren) können, wie man herausfindet, woher Arten kommen und wann sie auf welche Weise verschwinden (wir wählen das historisch-biologische Beispiel, weil es für dieses bereits bewährte öffentliche Dramatisierungen, Debatten und so weiter gibt und diese sich direkt etwa mit Auseinandersetzungen um die politische Regulierung der ökonomischen Implementierung von Gentechnik verbinden lassen; das Stichwort »Darwin« deckt sozusagen das ganze Spektrum vom mikrobiologischen Labor bis zur agrarökologischen Nachhaltigkeitspolitik ab; für Energetisches und Informatisches wird man, wo es nicht schon um sich greift, bald ähnliches erleben). »Interdisziplinarität« bedeutet dabei, daß man sowohl die Einzelwissenschaften wie deren praktisches Ineinandergreifen im beschriebenen Sinne stärkt und ausgestaltet; die implizite Normativität von Forschungsprogrammen wird dabei explizit zu machen sein: Die Quanteninformatik etwa ist nicht einfach um Physik angereicherte Informatik oder um Informatik vermehrte Physik, sondern Verhältnisklärung im Abgleich von Unterscheiden und Vergleichen. Der Fortschritt, den Shannons Quantifizierung des Informationalen unter bewußter Absehung von semantischen Gesichtspunkten gegenüber den Unklarheiten, aus denen er sie herausgeschält hat, in der Tat erbrachte, liegt nicht darin, daß das Weglassen immer Erkenntnisgewinn bringt, sondern daß die spezifische Zweck-Mittel-Relation, in deren Kausalnexus wie Begründungszusammenhang Shannon dachte, nämlich die Signalübertragung samt allen Störungs- und Redundanzfragen, die an ihr haften, an dieser Stelle durch das Weglassen der Semantik eine Arbeitszeitersparnis gleichsam als Erklärungsressource nutzen konnte; ähnliche Fälle sind logisch auch umgekehrt vorstellbar (nicht nur im Induktiven: daß die alten Inder ihrem Zahlenkosmos die Null hinzufügten, hat ihre Rechnungen nicht umständlicher, sondern einfach gemacht). Die Semantisierung der Informatik (analog der »Semantisierung des Seins«, die Russell der Philosophie als Aufgabe stellte) durch die weltgerichteten naturwissenschaftlichen Simulationstechniken der letzten dreißig Jahre von Physik und Chemie bis zur Finanzgeschehensmodellierung, die in der (wie oben geschildert) irritablen Öffentlichkeit des Kapitalismus allerlei fade neopyrrhonische Spekulationen über die Welt als Simulacrum und Matrix, das Unwahre am Wirklichen und so weiter entbunden haben, läßt sich auch als Chance lesen, die Ontologien und Metaphysika der bestehenden Forschungszweige zu entrümpeln und zu aktualisieren: Die Frage, was es überhaupt gibt, operabel zu machen als Frage, was ein Computer kennen muß, um Weltvorgänge zu simulieren, zieht taxonomische und argumentative Neuerungen mit sich, die einen weiteren

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