Der Implex
Horizont öffnen als Quantenmechanik und Relativitätstheorie zusammen (mit der letzteren gemeinsam dürften sie allerdings haben, daß jede neue Bestimmung von Relationen und Relativitäten auch neue Invarianten und selbst epistemisch und ontologisch fruchtbare Übersetzungsmethoden der zueinander in besagten Relationen und Relativitäten stehenden Systeme, Taxa und so fort hervorbringt; schon die nächsten Generationen von Studierenden der exakten Wissenschaften wird die Geburt von so etwas wie informationellen Lorentz-Transformationen erleben).
Semantik und Syntax stehen zueinander wie die analytischen zu den synthetischen Propositionen: In Implexrelationen, deren vielleicht allgemeinste Formulierung die bei Luhmann häufig vorkommende vom »Eigenkomplexitätsgewinn durch Außerkomplexitätsreduktion und umgekehrt« ist. Das eigentlich wissenschaftliche Feld wird an dieser semipermeablen Arbeitsoberfläche durchlässig für Signale und Muster eines anderen, das einen eigenen Ordnungspunkt verdient.
f) Im Philosophischen zeichnet sich in allerjüngster Zeit ein von Luciano Floridi in seiner 2011 erschienenen Programmschrift The Philosophy of Information erschienenes Bemühen ab, sowohl die wissens-, technik-, sozial- und philosophiegeschichtliche Begrifflichkeit des Informatischen mit den Unterscheidungs- und Vergleichsmaschinen der Philosophie zu differenzieren und zu variieren als auch informationstheoretisches und informationstechnisches Methoden- und Erfahrungswissen für die Philosophie (also auch etwa deren ontologische, epistemologische, normative Zweige) nutzbar zu machen, wodurch abermals sowohl verallgemeinert wie präzisiert wird, was mit Bacon, Galilei, Newton begann und mit Darwin, Einstein, Turing fortgesetzt wurde. Die eigenartige und reizvolle Hybridität des genuin Philosophischen – daß es, wie wir gezeigt haben, zugleich Technik und Grundlagenforschung ist – wird zu dem, was fortan »Bildung« heißen darf, unter günstigen Voraussetzungen – wenn also die Punkte a) bis e) nicht von der Beharrungsgewalt des schlechten Bestehenden zerrieben, sondern verwirklicht werden, wie Marx das von »der Philosophie« mittels des Sozialismus erwartete – einen so großen Beitrag leisten, wie sie das zuletzt im siècle des lumières getan hat; und zwar nicht nur in Tiefe und Breite, sondern, wichtiger noch, in Schönheit, die dann die bei Thomas von Aquin in den Künsten entdeckte Trinität von integritas, consonantia, claritas verwirklicht, ohne den platonisch-monistischen (und jedem Idealismus lebenswichtigen) Schein der Identität des Sellarsschen Raums von Gründen und Folgerungen mit dem Raum von Ursachen und Wirkungen zu perpetuieren (in Floridis oben erwähnter Schrift wird sogar der unseren eigenen Bemühungen eng verwandte Versuch gemacht, nicht nur – aber auch – informationstheoretisch herzuleiten, warum Sellars’ zwei aufeinander irreduzible Räume sogar noch zu kurz gedacht sind und es nötig ist, einen dritten zu denken, nämlich einen genuin normativen:
»Our normative space is a space of design, where rational and empirical affordances, constraints, requirements, and standards of evaluation as well as epistemic and pragmatic goals all play an essential role in the proper construction and critical assessment of knowledge. It only partly overlaps with Sellars’ space of reasons in that the latter includes more (e.g. mathematical deduction counts as justification, and in Sellars’ space we find intrinsically decidable problems) and less, since in the space of design we find issues connected with creativity and freedom, not clearly included in Sellars’ space.« 275
Jeder der drei Räume ist damit Implex jedes der beiden anderen; wer also herausfinden wollen würde, welcher davon dem anderen logisch (nicht: genealogisch, das ist eine Frage der Philologie und der Informationsgeschichte, die beantwortet werden kann) vorgängig ist, wird sich verlaufen.
g) Das Ästhetische zu erraten (geschweige: zu beraten), das sich die Menschengattung wird einfallen lassen können, wenn sie das Vorangegangene einmal als gegeben (besser wohl: erarbeitet) aufzufassen gelernt haben wird, ist aus Gründen, die mit der Historizität der Kunstmaschinen und anderen im siebzehnten Kapitel erläuterten Dingen zu tun haben, schwieriger als alles von a) bis f) Entworfene. Plausibel aber will uns vorkommen, daß die Künste im selben Maß, in dem der logische Positivismus ein unvollkommener, aber
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