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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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läßt grüßen).
    Zusammenbruch und Niederlage, das heißt die kontingenten, aber nun einmal tatsächlich eingetretenen Folgen strategischer Konjunktionen von innerer Schwäche und äußerer Übermacht, die ein neues System der Erzeugung und Verteilung zu Fall gebracht haben, dürfen nicht einfach Ergebnisse von Partien sein, die man verlieren kann; ein Weltgeist muß beide angeordnet haben, das Naturrecht verkehrt sich ins Unnatur-Unrecht, Marx heißt jetzt Spengler. Die ominöse unsichtbare Hand dieses Weltgeists, erfahren wir aus einschlägigen Schriften einer Schule, die »Wertkritik« heißt, habe sich bei der Vollstreckung des Unheils einer unbezwingbaren Binnenlogik des modernen warenproduzierenden Systems bedient, derzufolge alle staatsförmigen Versuche, den Sozialismus auf ökonomisch rückständigem Terrain in Gestalt eines Klassenbündnisses zwischen Proletariat und (landlosen) Bauern einzurichten, bloße nachholende Modernisierungen dirigistisch durchgeführter ursprünglicher Akkumulation hätten sein können. Daß die Leute, die diese Kritikspielart pflegen, den Abschied vom Proletariat, so abgeklärt er sich gibt, damit bezahlen, übers angeblich veraltete Klassendenken hinaus alle Menschen, von der Bankerin bis zum Obdachlosen, für gleichermaßen interessiert wie fähig zu halten, jenes moderne warenproduzierende System mittels nicht genauer spezifizierter Maßnahmen abzuschaffen, die jedenfalls außerdem auch noch dies für sich hätten, daß sie im Gegensatz zum Bolschewismus weitgehend frei von bürgerkriegsartigen Häßlichkeiten wären, ist fast traurig, aber jedenfalls lustig.
    Das alte »historische Subjekt«, die Gruppe der besonderen Besitzlosen im Kapitalismus, sei, so lehrt eine andere Richtung dieser Enttäuschungsphilosophie, von der Macht des Geldes, die nach Marx bekanntlich alle Verkehrsverhältnisse zwischen Menschen verflüssige, so endgültig auseinandergejagt und aufgelöst worden wie die nationalstaatlichen Schranken zwischen den Binnenwirtschaftsräumen, weshalb man statt von Lohnabhängigen und ihren vom System ausgeschiedenen Schatten eher von staatenlosen, keine feste Rolle mehr im Produktionsprozeß ausfüllenden, immaterielle Arbeit verrichtenden, auf jeder Trennschärfe ledige Art dezentrierten Niemanden die Umwälzung aller bestehenden Verhältnisse erwarten sollte – diese Richtung erklärt der Menschheit Sachen wie das ortlose Empire und seinen nicht zu fassenden Feind, die Multitude.
    Ein dritter Ansatz, weniger originell, aber dafür kantiger und renitenter im Gebaren, redet mit den Resten der Arbeiterbewegung direkt Klartext: Das verfluchte Proletariat sei dank mannigfaltiger Techniken des social engineering, vom kolonialen Extraprofit über den Keynesianismus bis zur massenmedial flächendeckenden Verblödung, einerseits bestochen und andererseits in die politische (wenn schon nicht ökonomische) Bedeutungslosigkeit getrickst worden und habe dabei – träge, genußsüchtig und überhaupt Teil des Problems, das es immer war – auch noch kräftig mitgeholfen. Das Attraktive an diesem Ansatz diverser Drittweltianer, Triple-Oppression- Forscherinnen und -forscher und der Redaktion des Münchner »Gegenstandpunkt« ist, daß seine Lagebeschreibung schlicht stimmt. Das Unattraktive daran ist, daß man von einem Phantasiemangel Kopfschmerzen bekommt, die eine Lage als etwas begreifen will, das selbstidentisch herumliegt und in seiner zutreffenden Beschreibung ohne Reste aufgeht.
     
    Es ist wahr: Die Organisationen der Arbeiterbewegung haben aufgrund der Entwicklung der Produktivkräfte (das heißt infolge der Tatsache, daß es dem Kapital, dessen von seiner Ausgangslage erzeugtes Bedürfnis einfach »Akkumulation mit allen Mitteln« heißt, gelungen ist, diejenigen Implexmomente der kapitalistischen Produktionsweise operativ explizit zu machen, die fortlaufend gegebene Produktionsvorrichtungen in Profitrichtung über sich hinaustreiben) mindestens zwei lange Zeit ihre Kämpfe formende strategische und taktische Handlungsoptionen verloren – den Streik (durch Kapitalexport und Lohndrückertransfer mithilfe entsprechender materieller und immaterieller Verkehrswege) und die Aussicht auf Machtübernahme (»Deregulierung«, das heißt Entpolitisierung des Wirtschaftsgeschehens, zerschlägt seit dem Ende des Ostsozialismus auf kaltem Weg mehr demokratische Rechte, als es die massivsten staatlichen Überwachungs- und Gängelungspraktiken könnten).
    Nahe liegt also, zu

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