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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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er bedient sich ihrer obendrein für alle nur vorstellbaren eigenen Selbstbefreiungszwecke, weil er ohne levée en masse (nicht nur materielle, sondern auch ideologische Aushebungen sind mit diesem Wort bezeichnet) seine im Namen des ja nicht nur schimärischen, sondern immer wieder auch echten Fortschritts (Code Napoléon für Europa!) geführten Schlachten gar nicht gewinnen kann. Die französischen Bourgeois stützen sich auf ihre Armen, um dem Adel einen Schrecken einzujagen, die nordamerikanischen Dekolonisierer setzen land- und anderweitig besitzlose Truppen gegen die Engländer in Marsch, und alle bürgerlichen Befreiungsbewegungen tragen als eins ihrer wichtigsten Feldzeichen der Naturrechtslehre den »edlen Wilden« vor sich her, als hätten die rousseaugläubigen Franzosen keine Sklaven in Saint Domingue gehalten, als hätte Jefferson, der »Nature’s god« anbetete, nicht die Indianer als Mündel betrachtet, sondern als Bundesgenossen (und während wir dies schreiben, heißen amerikanische Raketen »Tomahawk«, amerikanische Hubschrauber »Apache«).
VI.
Was die Aufklärung dafür kann (und was nicht)
    Die Selbstkritik am ethnischen Selbstmißverständnis der white man’s burden ist bei den Intellektuellen der Metropolen seit der Neuen Linken häufig als eine an der Aufklärung in Erscheinung getreten, die schließlich nicht einmal mehr dem Denkmodell »Kritik« über den aufgeklärten (und daher weißen, männlichen, eurozentrischen) Weg trauen will – dieses sei angewiesen auf ein »Kantisches Vermögen«, auf das sich die Herrenrasse samt Vernunft und Wissenschaft seit der Aufklärung ein bißchen zuviel einbilde, obwohl es sich nur um ein Symptom der »epistemische[n] Selbstmächtigkeit der europäischen Kultur« handle 54 , wogegen vielleicht nicht einmal eine (allerdings hin und wieder für aussichtsreich gehaltene »Indianisierung der europäischen Philosophien« 55 helfe, weil, wie die Klügeren unter denen, die so denken, natürlich bemerkt haben, das Indianische, Afrikanische, Aboriginale, von dem da das Heil kommen könnte, selber immer nur von europäisch Aufgeklärten konstruiert wird.
    Läßt man sich von soviel Ideengeschichte nicht blind machen, begreift man, daß das Entstehen des modernen Rassismus unter Rückgriff gerade auch auf aufgeklärtes, wissenschaftliches und pseudowissenschaftliches Gedankengut nicht etwa die in der Aufklärung selbst nistende Erbsünde des Herrenkollektivs belegt, sondern ein Ergebnis der keineswegs ideengeschichtlichen, sondern grausig realgeschichtlichen Gesetzmäßigkeit ist, die wir oben beschrieben haben: Die Aufklärung ist nun mal das Instrument einer erfolgreichen Befreiungsbewegung gewesen, die durch ihren Sieg einen Vorteil nicht nur über die geschlagenen Unterdrücker, sondern auch über andere, nun ihrerseits unterdrückbare Kollektive errungen hat, aber daraus folgt nicht, daß die Aufklärung (oder die Hüte der Pilgerväter mit ihren Schnallen, oder das Essen mit Messer und Gabel, oder Feuerwaffen, oder anderes, das Europäerinnen und Nordamerikaner kennen und gebrauchen) notwendig rassistisch ist, sondern nur, daß diejenigen, die ihr den Sieg über ihre Bedrücker verdanken, Rassisten waren oder wurden oder zeugten.
    Dieselbe abstrus essentialistische Denkart, die sich nicht vorstellen kann, daß Wahnsinnige nicht durch und durch, immer und überall wahnsinnig sind, sondern manchmal auch ganz manierlich essen oder schlafen, kann offenbar nicht lassen, daß nicht alles, was eine Aufklärerin sagt oder tut, notwendig aufgeklärt ist und zwingend einer Essenz zugerechnet werden muß, die man »die Aufklärung« zu nennen hat – dabei gibt es doch wirklich wenig eindrucksvoller Unaufgeklärtes als Humes törichte Bemerkungen über »Neger« und Kants penible Systematisierung derselben.
    Humes Schrift On National Character von 1753 gibt dem Unsinn die Richtung vor – da äußert der schottische Aufklärer den Verdacht, jene »Neger« seien, wie andere Menschensorten, den Weißen, zu denen er sich selbstverständlich zählt, von Natur aus unterlegen. Die Feststellung wird ganz nebenbei eingebracht, eher axiomatisch, als Prämisse und nicht als Konklusion, denn es geht darum, ein internes Problem der »Weißen Zivilisation« zu diskutieren: Es sei nicht gerechtfertigt, ärmere Menschen mit der Begründung von Bildungsgelegenheiten fernzuhalten, diese seien ohnehin blöde, wie man an ihrem Elend sehen könne (das teleologische Argument winkte

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