Der Implex
der Ethnologie und der Psychoanalyse zutraut, die Vorstellung von wissenschaftlicher Objektivität, die im Gefolge Bacons von der Aufklärung vertreten und ausgearbeitet wurde, als »Gegenwissenschaften« durch die Konfrontation der Baconschen Induktionslogik mit aus deren Sicht a- und paralogischen Ordnungen wie dem Unbewußten oder nichteuropäischen Welterschließungs- Agencements zu erschüttern, so wird dabei geflissentlich übersehen, daß solche Erfolge diesen Disziplinen nur zugetraut werden können, wenn man diejenigen, die sich mit ihnen befassen, für fähig hält, aus der episteme herauszutreten, die sie als im europäisch-aufgeklärten Denken Erzogene doch nach Foucaults eigenem Bild gefangen halten müßte – Ethnologie und Psychoanalyse wären dann, man weiß nicht (und Foucault verrät nirgends), wie, in den Besitz jener Wertfreiheit, Objektivität (und wie die selbstlobenden Adjektive der hiesigen Forschungsgeschichte sonst heißen mögen) gelangt, die das Baconsche Forschen irrtümlich propagiert haben soll – irrtümlich, weil es so etwas wie Wertfreiheit, Objektivität etc. gar nicht geben kann, wenn der Strukturalismus (und mehr noch der Poststrukturalismus) recht hat (wobei dann noch die Frage aufbricht, was »recht haben« unter solchen epistemischen Spiegelkabinettvorzeichen überhaupt noch bedeuten kann). Das ganze Rätsel löst sich auf, wenn man die Dialektik zwischen dem Normativen und dem Induktiven anerkennt, die Bacon noch ignorierte, um das Induktive so absolut zu setzen wie später die Rousseaueaner das Normative. Die Wahrheit ist, daß Forschung und Wertung sozial nie unabhängig voneinander zu haben waren, Forschung vielmehr nur da Sinn produziert (in Luhmanns wertvoller Formel: Komplexität ihrer Umwelt reduziert), wo sie als Instrument verstanden wird, Wertung gegebenenfalls zu korrigieren, und Wertung nur da operationalisierbar (etwa mit Benjaminscher »Gesetzeskraft« aufladbar) wird, wo sie sich für Forschung, das heißt Informationsfluß von den Wertenden zum Bewerteten und umgekehrt, offenhält. (Wir werden das Problem im fünfzehnten Kapitel dieses Buches, das sich ausführlich mit der Frage der Normativität im Kampf um Definition und Wirklichkeit sozialen Fortschritts befassen soll, entsprechend vertiefen).
Bleibt man der eben begrifflich entfalteten Dynamik bei der genealogischen Auseinandersetzung mit der Ethnoperspektivik der Aufklärung eingedenk, kommt man dahin, den Unterschied herauszupräparieren zwischen einer aufgeklärten Position zum Rassismus auf der einen und dem, was der Autor Kant erzählt, auf der anderen Seite – ein Autor, der seine Gedanken in der Sprache der damals rückständigsten Region Kontinentaleuropas schrieb, der weiß Gott nicht zur Avantgarde zählt und dessen Rassenphilosopheme mit dem Programm der Aufklärung so wenig konform gehen wie sein Skeptizismus und Idealismus mit Spinoza oder den französischen Materialisten. Man kann ihn Aufklärer nennen, weil er sich nicht der Gegenaufklärung angeboten und ein paar vernünftige Gedanken über dies, das und das Vertragswesen gedacht hat, dann muß man aber Habermas auch einen Marxisten nennen, weil er von der Kritischen Theorie kommt.
Identifiziert man darüber hinaus aber den Rassismus auch noch als eine Unterströmung der Aufklärung, wird man das Bild plausibilisieren müssen, die conquistadores hätten in Amerika Hume und Kant gelesen statt das Kreuz aufgepflanzt, und am besten folgert man dann auch aus den Taten des Berliner Senats zu Zeiten der Koalition von PDS und SPD, der Sozialismus habe es wohl vor allem auf Sozialetatkürzungen abgesehen.
VII.
Edle Wilde zwischen Oroonoko und Avatar
Kulturindustrie, lehrten Adorno und Horkheimer, sei der organisierte Umschlag von Aufklärung in Mythos, und was in Film, Fernsehen, Comic, Popmusik und populärer Literatur mit Rousseaus »edlem Wilden« geschehen ist, verleiht der These einen Anschein hoher Plausibilität. Rassistische, »orientalistische« (im Sinne Edward Saids), emphatisch projektive Imagines nicht durchweg abwertender Sorte spenden exotische Bilder, hier und da durchkreuzt von Erfolgen identitärer Repräsentationspolitik, derweil Minstrelsy und ihre Derivate nicht totzukriegen sind – Howard Keel, der Darsteller des urtexanisch-weißen Clayton Farlow in Dallas , begegnet einem plötzlich spät in der Nacht im Kabelfernsehen in War Wagon , einem Western von 1967 mit Kirk Douglas und John Wayne, als bärenstarker
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