Der Implex
mal weniger sanftem Druck ausgesetzt, veranstaltet von Souveränitätsgrenzen nicht achtenden Megakonzernen, westlichen und nördlichen Armeen, der Weltbank, der Welthandelsorganisation, dem Weltwährungsfonds und anderen Firmen und Organisationen, deren Namen keine ausgebeutete Näherin und kein unterdrückter Reisbauer kennt.
Da wir nicht der Dühringschen Gewalttheorie anhängen, meinen wir mit »Handelserpressung« nicht, daß bewaffnete Abteilungen des Imperialismus Tag und Nacht beim Be- und Entladen von Im- und Exportgütern der armen Staaten Wache stehen, sondern vielmehr den allbekannten Umstand, daß die für Statthalterzwecke kooptierten Eliten der kolonial, postkolonial, neokolonial ausgebeuteten Gegenden verläßlich dafür sorgen, daß die Reichtümer des Landes nicht zu eigenständigen nationalen Kapitalien akkumuliert (wozu heute entsprechend der seit Cecil Rhodes’ Tagen verstrichenen Zeit wesentlich mehr gehören würde als damals) oder gar sozialisiert und zu einer anderen Sorte Akkumulation genutzt werden, die den Brutalitäten der »ursprünglichen« entzogen wäre, wie sie in den Ländern der industriellen Revolution stattfand. Die Unterentwickeltheit ist kein bloßer Zustand, sondern wie die Entwicklung der Kapitalgeschichte in den Zentren ein von Besitzenden aktiv vorangetriebener Prozeß, ein Wort wie »Unterentwicklung« in diesem Sinn zu verwenden, wäre nicht sinnlos. Die mittels konkurrenzloser Zirkulationslenkungseinrichtungen wie der Organisation von Bretton Woods etablierten weltweiten Verkehrsverhältnisse brechen nicht nur nationale Souveränitäten, sondern mehr noch jede Aussicht darauf, daß diese einmal anderen, von den heute ausgebeuteten, abgekoppelten, unterdrückten oder verlassenen Menschen legitimierten Souveränitäten weichen könnten.
Die Dekolonisierung, die das zwanzigste Jahrhundert mit sich brachte, hat man sich im Weltmaßstab so prosaisch und wenig erhebend vorzustellen wie die Verwandlung von Leibeigenen in Lohnarbeiter – dem einzelnen Handel gegenüber frei, nämlich jeweils mit der Entscheidung konfrontiert, ob man ihn eingehen soll oder nicht, sind die Bewohner der benachteiligten Regionen insgesamt unfrei gegen die Entscheidung, überhaupt mit den stärkeren Parteien im Welthandel Tauschverhältnisse einzugehen – tun sie’s nicht, droht unmittelbarer Absturz in die Steinzeit; bei der inzwischen erreichten Populationsdichte also Massensterben. So übernehmen denn die postkolonialen Regimes, selbst die besten, die Rolle des ideellen Gesamtkrämers, der den schwachen Nationalökonomien gegenüber die von den reichen Staaten gestellten Bedingungen durchsetzt. Wie anders als tragisch soll man etwa die Rolle Südafrikas auf dem afrikanischen Kontinent nach der Apartheid nennen, wenn dieser Staat über eine quasifreihandelsorientierte, wirtschaftsaufsichtspaktartige Übereinkunft namens New Partnership for Africa’s Development (NEPAD) ab 2001 die großflächige Privatisierung der Infrastruktur und die Eingliederung der afrikanischen Ökonomien in die nordwestlich dominierte Weltwirtschaft vorantreibt wie nur je ein imperialistischer Einpeitscher, »regardless of the decline in terms of trade and the continuation of subsidy regimes in the Atlantic economies to the detriment of African commodities« 49 ? Noch während der Nach-Apartheid-Staat Deregulierungsdruck auf seine afrikanischen Partner ausübt, erwischt es ihn selbst, und zwar in Bereichen, die für jede Industrie (und, wesentlich wichtiger, für jeden künftigen Versuch, nachhaltig, postindustriell, vernünftig zu wirtschaften) lebensnotwendig sind, den wissenschaftsaffinen nämlich: Das Budget des südafrikanischen Forschungs- und Technikministeriums für die Förderung der nationalen theoretischen und angewandten Wissenschaften ist, während wir dies schreiben, unter Breitenstreuungsgesichtspunkten wesentlich geringer als erforderlich, weil der Versuch, zu den reichen Nationen aufzuschließen, und die in diesem immer schon beschlossene Abhängigkeit von deren Forschungspolitik beispielsweise eine Zuteilung von Ressourcen für Big Science- Vorhaben nezessiert, die für den Westen und Norden anschlußfähig sind – als bekannt wurde, daß die geplante Radioteleskopieanlage Square Kilometre Array (SKA) entweder in Australien oder in Südafrika gebaut werden würde, schob das Ministerium einem Fonds 1,9 Milliarden Rand zu, der zwischen 2009 und 2012 unter anderem das Teleskop MeerKAT bauen soll.
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