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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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ihrer ersten Zerfallszeit haben das früh artikuliert und waren doch zu schwach, zu denen durchzudringen, die um kurzzeitiger Friedensphasen im zermürbenden Kampf willen alles preisgaben, wofür sich zu kämpfen lohnte – Pohrt meinte schon 1974, die Vereinsamung der radikalen Linken in den Metropolen auch und gerade da, wo sie kleine Grüppchen, Kaderparteichen, Sekten bilde, resultiere
    »daraus, daß die historischen Voraussetzungslose, unmittelbare Solidarität in den Zentren der Welt zerbrochen sind. Noch die ärmsten Teufel sind tendenziell nicht nur Opfer, sondern auch Nutznießer und – wo sie sich nicht wehren – Kumpane der Unterdrückung und Ausbeutung in deren zeitgemäßer Form. (…) Die Menschen in den Metropolen haben guten Grund, einander nicht leiden zu können und zu verachten. Als Schurken, die sie objektiv sind, tun sie gut daran, einander mißtrauisch zu belauern. (…) Die Unmöglichkeit unvermittelter Solidarität (…) macht sich gerade dort geltend, wo diese unmittelbar vorausgesetzt wird: in der Gruppe. Im objektiven Schuldzusammenhang schwebt über den Emanzipationswünschen, von denen die Gruppe lebt, die Angst vor dem Verlust der Privilegien. Unter dieser verwandelt sich Solidarität in ängstliche Vereinsmeierei. (…) Solidarität der Unterdrücker ist ein Widerspruch in sich selbst. Als Ersatz für gemeinsame Arbeit fungiert wechselseitige Hackerei. Weil keiner auf die Sache schaut, blickt jeder eifersüchtig nach dem anderen; weil keiner sich an einer Tätigkeit behauptet, behauptet sich jeder am andern.« 51
     
    Der allgemeine Nexus, dessen Sonderfall diese Scheußlichkeiten sind, läßt sich wie folgt bestimmen: Emanzipiert sich ein sozialer Zusammenhang von irgend etwas naturwüchsig Überlebtem (die französische Nation vom Feudalsystem; die französische Arbeiterklasse per Gewerkschaft und Partei von der unmittelbaren Knechtschaft des ungezügelten Kapitalismus; die Sowjetunion von ihrer halbfeudalen Vergangenheit und dem kapitalistischen Weltsystem; Südafrika vom Erbe der Apartheid), so gewinnt er dadurch einen Platzvorteil vor anderen, weniger emanzipierten Gruppen (die bürgerlichen Franzosen etwa vor den Deutschen der Kleinstaatenzeit; der französische Arbeiter vor dem algerischen; die Sowjetunion vor Indien; Südafrika vor den weniger großen, also nicht mit den Segnungen eines von Rassisten durchindustrialisierten Flächenstaates ausgestatteten Regionalkonkurrenten), einen Platzvorteil, den er sofort (und nicht einmal immer freiwillig, sondern getrieben von der Dynamik, daß ein verschenkter Vorteil schnell zum Nachteil wird) nutzen wird, was ihn aber einer neuen, darwinistisch regulierten Naturwüchsigkeit ausliefert.
     
    Der Tatbestand ist abscheulich, aber immerhin geeignet, von den Napoleonischen Kriegen bis zu dem, was die Sowjetunion so alles getan und unterlassen hat, nicht wenig zu erklären, was auf dem Erdball vorgekommen ist.
    Daß gerade erfolgreiche Befreiungsbewegungen ihren weniger erfolgreichen ferneren oder näheren Nachbarn zum Alptraum werden, läßt sich nirgends herzwürgender studieren als auf dem amerikanischen Doppelkontinent – während im achtzehnten Jahrhundert, als der organisierte Antikolonialismus seine ersten großen Erfolge erlebte (auf den dann hundert Jahre harte Reaktion und schließlich weitere hundert Jahre Breitendekolonisierung folgten), indem sich der Norden von den Engländern befreien konnte, emanzipierten sich, von diesem Erfolg motiviert, die im Zuge der spanisch- und portugiesischsprachigen Eroberung des Südens dorthin gelangten oder von jenen selbst auch wieder gewalttätigen Siedlern abstammenden »kreolischen« Bevölkerungen zunächst von den europäischen Mutterstaaten, bekamen aber rasch die auf eine stabile Hegemonie abzielende Raumpolitik des erfolgreicheren Nordens zu spüren und beließen ihrerseits gleichzeitig die indigenen Bevölkerungen ihrer bald als »Lateinamerika« geläufigen Gegenden im Zustand weitgehender Rechtlosigkeit 52 . Wie der Erdteil bald aussehen würde, erkannte als erster Simon Bolivar, der süd- wie mittelamerikanische George Washington und Großkolumbianer (Venezuela, Kolumbien, Panama, Ecuador sollten zum um Peru und Bolivien gruppierten »bolivarischen Block« gehören), die Vereinigten Staaten, bemerkte er, seien »von der Vorsehung dazu erwählt, Amerika im Namen der Freiheit zu quälen«. 53 Der erfolgreiche Selbstbefreier tritt nicht nur die weniger erfolgreichen in den Dreck;

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