Der Implex
noch aus der Sklavenhalter- und der Ständewelt herüber), im Gegenteil, so Hume, habe man immer wieder Beispiele dafür erlebt, wie Talent und Genie noch aus dem größten Elend emporgewachsen seien. Diesen sympathisch individualistischen Einwand gegen das Kastenwesen, den er, um nicht wie ein unverantwortlicher Radikaler auszusehen, der die evidenten Unterschiede des Lebensgenusses, der Hexis und Praxis bei verschiedenen menschlichen Großgruppen einfach leugnet, mit der abstützenden Versicherung stabilisiert, es sei ihm wohlbekannt, daß Menschenkollektive existierten, die noch niemals einen Shakespeare, Newton und ähnliche Riesen hervorgebracht hätten, beispielsweise das schwarze. Das Argument läßt sich zuspitzen zu: Wer nur einen einzigen Armen nennen kann, der nicht von Geburt an unrettbar blöde war und etwas dem Gemeinwohl irgendwie Zuträgliches geleistet hat, der muß die Bildungszulassungsbeschränkungen in Zweifel ziehen und jeder und jedem das Recht zugestehen, seine Mitmenschen von ihrem oder seinem Wert zu überzeugen.
Daß dieses Argument historisch ist, scheint sein Urheber nicht einmal zu ahnen, er hält es für ein überzeitlich-statistisches, etwa wie Mendels Erbgesetze, und darüber, was er gesagt hätte, wenn man ihm gezeigt hätte, daß sich die Population, die er als Gegen-Kontrollgruppe vorschlägt, seither als ebensosehr zur Hervorbringung von Leuten mit auf Leistung beruhendem Prestige erwiesen hat wie die armen Klassen Englands, läßt sich nur spekulieren – daß ihm keine »Neger« vorstellbar schienen, die von seinem Argument profitieren könnten, lag daran, daß er keine kannte, denen das möglich gewesen wäre, und das lag daran, daß sie zu ebenjenen Konkurrenzen wie selbstverständlich nirgends zugelassen waren, in denen er sie gewissermaßen a priori schlecht abschneiden sah.
Daß Hume selbst darüber nicht gestolpert ist, daß diese historische Grenze seiner Beweisführung ihre logische verdeckt, gibt mithin einen nicht unwichtigen Hinweis darauf, wie die Interpenetration von Normativem, Programmatischem einerseits und Analytisch-Deskriptivem andererseits, das den vielgeschmähten Universalismus der Aufklärung vom Naturrechtsgedanken her kennzeichnet, diesen je und je entlang von Bruchlinien zwischen Programm und Wirklichkeit in Partikularismen wieder aufzuspalten erlaubt, was zu tun seither denn auch keine Rechte auf der jeweiligen Höhe der Zeit unterlassen hat, assistiert dabei von zutiefst zweideutigen Gestalten aus zutiefst zweideutigen Abschnitten der bürgerlichen Emanzipation wie jenem Immanuel Kant, der in seinen Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen von 1764, welche das Ineinanderkollabieren von analytischen und evaluativen Vokabularen schon im Titel trägt, alle vorhandenen Unterdrückungs- und Unrechtsrealitäten zwischen von ihm als Rassen markierten Menschenpopulationen mit derselben Selbstverständlichkeit für naturgegeben erklärt wie jede Menge Empfindungsmuster anderswo – ein Verfahren, demgegenüber nun aber nicht in Neuauflage des Wiener Neopositivismus auf reinlicher Trennung dieser beiden Sphären zu bestehen wäre, die sowenig gelingen kann wie nur je die endgültige Scheidung von logischen und historischen Anteilen der Welterschließung bei einer Gattung wie unserer, deren Logik nun mal historisch ist und ihre stete Selbstverbesserung nur aus der Reflexion auf diesen Umstand gewinnen kann, sondern die normative und die analytische Seite der Aufklärung in ihrer wechselseitigen Ermöglichung zu erkennen wären – hätten sie nicht gewollt, was sie wollten, sie hätten nicht erkannt, was sie erkannten, eine Einsicht, die einen aber wiederum auch nicht davon dispensiert, in jedem einzelnen Aussagefall zu unterscheiden zwischen erstens Absichten, die richtig, und solchen, die falsch waren, und zweitens Erkenntnissen einerseits und Irrtümern andererseits, wofür sich als Maßstab aber wieder nichts anderes anbietet als der eigene Programm- und Erkenntnisstand, was nur beweinen oder auch bloß als unverrückbare Schranke jeder Aufklärung postulieren kann, wer vom menschlichen Handeln, Erkennen, Denken Wunderdinge erwartet, die uns die Aufklärung eigentlich hätte austreiben sollen. 56 Wenn Michel Foucault in einer vieldiskutierten Volte in Die Ordnung der Dinge wie manch anderer aus der von Lévi-Strauss beeindruckten Strukturalisten-Generation, die in die erste Poststrukturalistengeneration übergehen sollte, Disziplinen wie
Weitere Kostenlose Bücher