Der indigoblaue Schleier
zu trinken an, und Miguel fragte sich, ob es klug wäre, um einen Schluck Wasser zu bitten. Er würde dadurch ein wenig Zeit gewinnen, um sich etwas zurechtzulegen, das nicht gar zu idiotisch klang. Er entschied sich dagegen. Er räusperte sich und wartete auf ein Signal, dass er beginnen möge. Doch Dona Amba rührte sich nicht, und ohne ihr Gesicht sehen zu können, war es absolut unmöglich zu erkennen, was sie dachte.
»Zunächst danke ich Euch, dass Ihr mir die Gelegenheit gebt, Euch mit meinem Vorschlag zu behelligen. Ich weiß, dass Ihr eine sehr beschäftigte …«
»Hört auf mit dem hohlen Gerede«, unterbrach sie ihn. »Kommt ohne Umschweife zur Sache.«
Bei jedem anderen Menschen hätte Miguel diese herablassende Art für schrecklich gehalten und sie nicht hingenommen. Bei ihr fand er sie köstlich. Immerhin war es ein Zeichen dafür, dass er ihr nicht vollkommen gleichgültig war, denn dann hätte sie einen anderen Ton angeschlagen.
»Ich habe Euch vor einiger Zeit bei einem Juwelier in der Hauptstadt gesehen. Nicht dass Ihr glaubt, ich würde Euch nachspionieren – ich kam nur zufällig des Wegs und sah Euch dort. Ein anderes Mal habe ich Euch denselben Laden verlassen sehen. Ich bin daraufhin zu der Überzeugung gelangt, dass Ihr mit Senhor Rui, denn so heißt besagter Juwelier, auf einer regelmäßigen Basis Geschäfte tätigt.«
Er machte eine kurze Pause, in der sie ihm zunickte. Er durfte fortfahren.
»Dabei kann es ja nur um zwei Dinge gehen: Entweder Ihr kauft bei ihm, oder Ihr verkauft ihm etwas. In beiden Fällen möchte ich mich als Mitbewerber von Senhor Rui vorstellen. Ich habe jüngst eine Reise gemacht, während der ich einige sehr schöne Stücke erworben habe, die vielleicht Euer Interesse wecken könnten. Solltet Ihr dagegen selber etwas verkaufen wollen, etwa Juwelen, biete ich hiermit meine Dienste als Käufer an.«
Dona Amba saß noch immer völlig still vor ihm. Also redete er weiter.
»Ich habe die Bekanntschaft von Senhor Rui gemacht, er scheint mir ein anständiger Mann zu sein. Er genießt einen guten Ruf in der Kolonie – allerdings sind seine Preise unverschämt. Ich könnte mir vorstellen, dass er umgekehrt auch schlecht zahlt.«
Noch immer zeigte Dona Amba keine Regung. Allmählich überkam Miguel eine leichte Nervosität.
»Wenn man Senhor Rui als Zwischenhändler ausschaltete, wären die Spannen viel höher – für den Verkäufer wie für den Käufer.«
»Ihr wollt mir Juwelen abkaufen?«, fragte Dona Amba ungläubig. Miguel erschrak angesichts dieser unerwarteten Äußerung.
»Äh, ja.«
Dona Ambas Oberkörper wurde von ein paar kurzen Stößen gerüttelt, und da Miguel ihr Gesicht nicht sah, wusste er nicht, ob sie lachte, weinte oder an einer Magenverstimmung litt. Es war schrecklich, mit einer verschleierten Dame zu reden. Dann saß sie auf einmal wieder reglos da und fragte: »Und warum sollte das Ganze keinen Aufschub dulden? Ich sehe keinen Anlass für Eure angebliche Eile.«
»Weil ich für meine Verlobte ein ausgesucht schönes Stück zu einem ausgesucht günstigen Preis suche«, behauptete Miguel. Er war froh, dass ihm so spontan etwas eingefallen war.
»Die Ärmste. Ist sie es denn nicht wert, dass Ihr Euch für sie in Unkosten stürzt?«
Am liebsten hätte Miguel laut »nein!« gerufen. Stattdessen erwiderte er kühl: »Ich bin Kaufmann.«
»Nun, ich bedauere, Euch nicht behilflich sein zu können. Ich habe nichts zu verkaufen und wünsche auch nicht, Eure Handelsware zu erwerben. Und selbst wenn es so wäre: Ich bin nicht befugt, derartige Geschäfte allein abzuschließen. Ihr müsstet das mit meinem Gemahl regeln.« Damit erhob sie sich und gab zu verstehen, dass die Unterredung beendet sei.
Miguel stand ebenfalls auf. »Habt dennoch Dank für die Zeit, die Ihr mir geopfert habt. Vielleicht lasst Ihr Euch meinen Vorschlag ja noch einmal in aller Ruhe durch den Kopf gehen. Ich würde mich sehr geehrt fühlen, wenn wir eines Tages zueinanderkämen.«
Amba war nicht sicher, ob sie die Feinheiten der portugiesischen Sprache so gut beherrschte, um hier eine unverschämte Zweideutigkeit zu vermuten. Also verkniff sie sich eine bissige Antwort. »Lebt wohl, Senhor Miguel. Und seht in Zukunft von weiteren unangekündigten oder auch angekündigten Besuchen ab.«
Miguel strahlte sie an, als habe sie ihm eine Liebeserklärung gemacht. »Euer Wunsch ist mir Befehl, Dona Amba.
Adeus.
« Er verbeugte sich übertrieben tief vor ihr, dann
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