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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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entflohenen Frau verbinden, die ganz sicher einen guten Grund gehabt hatte, dieser schrecklichen Familie entkommen zu wollen. Er war mit Befugnissen ausgestattet, die weit über das hinausgingen, was ein gewöhnlicher Wachmann oder Soldat tun durfte. Wenn es ihm so gefiel, konnte er allein aufgrund eines anonymen Hinweises jedes Haus, jede Wohnung und jedes Kontor auseinandernehmen lassen, selbst wenn der Verdacht bestand, dass es sich bei dem Denunzianten nur um einen neidischen Nachbarn oder Rivalen handelte. Wenn die Frau und ihr gigantischer Diamant in Goa waren, würde er sie finden, keine Frage.
    Die Inquisition war eine wahrhaft göttliche Einrichtung! Und wer wüsste sie besser für seine persönlichen Ziele einzusetzen als er, Carlos Alberto Sant’Ana?

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30
    P anjo begrüßte Miguel stürmisch. Da ihn eine Strafe erwartete, wenn er an seinem Herrchen hochsprang, verlieh er seiner Begeisterung durch aufgeregtes Fiepen und wildes Wedeln Ausdruck, wobei sein Schwanz permanent gegen ein Tischbein klopfte. Den Hund schien es nicht zu stören. Miguel war über das Wiedersehen ähnlich erfreut wie Panjo, obwohl er nur ein paar Stunden fort gewesen war. Es war schön, von einem Lebewesen, und sei es nur ein Hund, so bedingungslos geliebt zu werden. Miguel kniete sich hin und kraulte Panjo, der sich sofort auf den Rücken warf, den Bauch.
    Neuerdings ritt Miguel an jedem Vormittag in der Woche in die Hauptstadt. Er hatte eingesehen, dass es klüger war, Senhor Furtado bei der Arbeit über die Schulter zu schauen oder ihm zur Hand zu gehen, als über dessen Tun so wenig zu wissen. Der indische Prokurist war anfangs wenig angetan gewesen. Dass der Sohn des Firmeninhabers ihm den halben Tag im Weg herumstand, konnte er nun wirklich nicht gebrauchen. Doch bereits nach ein paar Tagen begannen die beiden, sich aneinander zu gewöhnen und sogar einige Vorzüge beim jeweils anderen zu entdecken. Das Einzige, was Senhor Furtado anfangs rasend gemacht hatte, war der Hund des jungen Herrn. Miguel hatte ein Einsehen gehabt und ließ um des Friedens willen fortan seinen treuen Panjo zu Hause.
    Für Senhor Furtado war es eine angenehme Überraschung gewesen, zu sehen, wie schnell Miguel rechnen konnte. Dass er außerdem ein unglaubliches Gedächtnis für Zahlen hatte, beunruhigte Senhor Furtado dagegen ein wenig. Das war doch nicht normal, dass man ganze Tabellen aus den Rechnungsbüchern auswendig hersagen konnte, wenn man diese erst einmal zuvor gesehen hatte! Andererseits war es natürlich eine enorme Arbeitserleichterung für ihn. Wenn er eine Angabe überprüfen wollte, musste Furtado sich nun nicht mehr durch dicke Bücher kämpfen und in dem nach Schimmel riechenden Papier nach einzelnen Zahlen suchen, nein, er brauchte bloß Senhor Miguel zu fragen. Zu Beginn hatte Furtado es nicht glauben können und jedes Mal heimlich nachgeschaut. Aber nachdem Miguel ein Dutzend Mal die richtige Zahl genannt hatte, vertraute er nun auf dessen phänomenales Gedächtnis. Jesus und Maria, der Knabe könnte damit als Magier auftreten!
    Miguel indes fand Senhor Furtados Arbeitsweise überaus lehrreich. Schon jetzt hatte er sich von dem Inder allerlei raffinierte Züge abgeschaut. Dazu gehörte nicht zuletzt das bescheidene Auftreten und die einfache Kleidung, die seinen Verhandlungspartnern das Gefühl vermittelten, sie hätten es mit einem Mann zu tun, den man leicht übertölpeln konnte. Außer den langjährigen Geschäftsfreunden schien den wenigsten Lieferanten und Kunden klar zu sein, dass sich hinter dem schlichten Äußeren durchaus kein schlichter Verstand verbarg.
    Wenn Furtado einem Plantagenbesitzer mit rollenden Augen vorheulte, dass er die verlangten Preise nicht zahlen dürfe und erst mit Lissabon konferieren müsse, ließen sich die meisten Gewürzzulieferer mit einem niedrigeren Preis abspeisen. Die lange Zeit, die die Korrespondenz nach Portugal und zurück brauchte, wollte niemand abwarten. Wenn Furtado neue Verpackungen benötigte, Säcke, Kisten oder Fässer, spielte er die verschiedenen Anbieter so geschickt gegeneinander aus, dass er die Ware zu Preisen bekam, bei denen die Händler kaum noch Gewinn machen konnten. Und wenn Furtado sich mit dem zur Verfügung stehenden Frachtraum – sie hatten langjährige Verträge mit einigen Reedern – beschäftigte und mit Gewichten und Volumen jonglierte, um jeden Kubikzentimeter sinnvoll zu nutzen und gegebenenfalls Fremdware dazuzustauen, dann widmete er sich dieser

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