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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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seiner Quengelei in den Wahnsinn.
    »Dieser Portugiese bringt uns Unglück, das habe ich doch gleich prophezeit«, sagte Nayana mit düsterer Stimme. Doch gerade als Amba sie angemessen barsch zurechtweisen wollte, hörten sie Hufgetrappel.
    Makarand und Dakshesh waren am Ende ihrer Kräfte. Aber im Vergleich zu dem Mann, den sie mitgebracht hatten, ging es ihnen blendend.

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38
    A mba war erschüttert angesichts des Zustands, in dem Miguel Ribeiro Cruz sich befand. Er war ausgelaugt und so vertrocknet, dass er zehn Jahre älter aussah als der attraktive junge Mann, der noch vor wenigen Wochen seine Frechheiten an ihr ausgelassen hatte. Seine Wangen waren hohl, seine Augen lagen tief in den Höhlen und waren dunkel umrandet, seine Nase war spitz, seine Haut faltig. Er hatte hohes Fieber und gab nur noch zusammenhangloses Gestammel von sich.
    Der alte Dakshesh meinte sich pausenlos dafür entschuldigen zu müssen, dass er es zugelassen hatte, den Kranken hierher zu transportieren. »Oh, Ambadevi, es tut mir so leid! Nun haben wir die Seuche eingeschleppt. Aber ich war machtlos gegen Makarand. Der Junge bestand darauf, dass wir Senhor Miguel aus seinem Haus entfernten, und nichts auf der Welt konnte ihn aufhalten, schon gar nicht ein alter Mann wie ich. Und die Leute auf dem Solar das Mangueiras wirkten sogar erleichtert, dass wenigstens irgendetwas geschah – sie pflegen den Kranken seit Tagen und sind verzweifelt, weil nicht die geringste Besserung eintrat.«
    »Es ist gut, Dakshesh, uns wird hier nichts passieren. Die Seuche bekommt man von dem vergifteten Wasser in der Stadt«, beruhigte Amba ihren Gärtner. Doch auch sie trug, wie alle anderen, ein Tuch vor Mund und Nase.
    Makarand begründete sein eigenmächtiges Vorgehen damit, dass er keine andere Lösung gesehen habe. »Was sollte ich denn tun, Ambadevi? Senhor Miguel lag im Sterben. Ihr hättet einmal das Zimmer sehen sollen, in dem sie ihn ›gepflegt‹ haben – alles dunkel, alles voll mit Töpfen und Eimern, in die er … ähm, ja, Ihr versteht schon. Und wie es dort stank, das war einfach unmenschlich. Dieser Mann hat Anuprabha das Leben gerettet, und die einzige Chance, nun seines zu retten, bestand darin, ihn hierherzubringen und ihn mit vereinten Kräften zu pflegen.«
    Und das taten sie. Vor allem Anuprabha war unermüdlich in ihren Bestrebungen, es Senhor Miguel so bequem wie möglich zu machen. Sie wusch ihn, sie wechselte zweimal täglich seine Laken, und sie wickelte ihm kühle Tücher um die Waden, um sein Fieber zu senken. Sie schob ihm sogar die Bettpfanne unters Gesäß und war sich für keine noch so niedrige Verrichtung zu fein. Obwohl es sich nicht gehörte, dass eine ledige junge Frau derartige Dinge bei einem fremden Mann tat, ließ man sie gewähren. Insgeheim waren alle froh, dass ihnen der nähere Kontakt zu dem Kranken erspart blieb. Die einzige andere Gesellschaft, die Miguel hatte, war die seines Hundes. Panjo wich seinem Herrn auf dem Krankenlager nicht von der Seite, und manchmal, wenn Miguels Hand aus dem Bett fiel, leckte der Hund sie vorsichtig ab. Niemand mochte etwas dagegen einwenden: Immerhin hatte das Tier Hilfe für seinen Herrn geholt, da war es das Mindeste, dass sie ihm gestatteten, nun in seiner Nähe zu bleiben.
    »Dieser Portugiese wird uns alle mit sich in den Tod reißen«, unkte Nayana.
    »Und dich hoffentlich zuerst«, fauchte Amba sie an. »Deine Schwarzmalerei ist nicht länger hinnehmbar. Noch ein Wort, und ich schicke dich fort, dann siehst du ja, wie es ist, wenn die Leute unbarmherzig und kalt sind. Obwohl du dich eigentlich noch daran erinnern müsstest.«
    Nayana zog sich zurück und verließ kaum noch ihr Gemach, wo sie ihre
pujas,
Gebete, verrichtete und sich mit einem intensiven Duftgemisch von Räucherkegeln und Blütenölen betäubte.
    Die anderen Dienstboten mochten sich nicht gegen Ambadevi und ihre Entscheidung, den Portugiesen dazubehalten, auflehnen. Sie selber waren nur dank der Großzügigkeit und des Mitgefühls ihrer Herrin am Leben. Dennoch war ihr Unbehagen groß. Niemand wollte sich mit einer Krankheit anstecken, die bei acht von zehn Patienten zum Tode führte.
    »Er ist jung und stark. Wenn einer diese verfluchte Cholera überlebt, dann er«, pflegte Amba immer wieder zu sagen, mehr um sich selber davon zu überzeugen als ihre Diener. »Er muss nur reichlich Flüssigkeit zu sich nehmen und bei sich behalten.«
    Doch das war leichter gesagt als getan. Man flößte Miguel

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