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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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fiel mir auf, dass einige der Säcke, die sehr deutlich mit »Condimentos e Especiarias Ribeiro Cruz & Filho« gekennzeichnet waren, auf ein Beiboot geworfen und an Land gebracht wurden. Wenn Deine Informationen stimmen, war jedoch kein Teil der Fracht für Angola bestimmt. Leider war es mir nicht möglich, in Erfahrung zu bringen, was anschließend mit der Ware geschah, da unser Schiff kurz darauf ablegte und nach Portugal weitersegelte. Allerdings habe ich einen jungen Offizier, der sich übel verletzt hatte und in ein afrikanisches Hospital gebracht wurde, gebeten, nun seinerseits ein wenig für mich zu spionieren. Mit ein wenig Glück sehe ich den Mann in einigen Wochen in Lissabon wieder – ich bete, dass die afrikanischen Hospitäler nicht dem entsprechen, was man sich unter ihnen vorstellt, und dass er wieder gesund wird – und werde dann hoffentlich erfahren, wer hinter diesen Unregelmäßigkeiten steckt. Also Geduld, mein Freund. Ich halte Dich auf dem Laufenden.
    Geduld war nicht Miguels allergrößte Tugend, aber ihm blieb nichts anderes übrig, als auf weitere Post zu warten, die unter Umständen ein halbes Jahr unterwegs war, oder aber direkt auf die Rückkehr Álvaros. Er freute sich schon jetzt darauf, ihn und die anderen Mendonças wiederzusehen.
    Wenn sie denn jemals zurückkehrten. Man konnte nie wissen, was sich alles ereignete. Er hatte ihnen bereits von dem Ausbruch der Cholera geschrieben und sie vor einer schnellen Rückkehr gewarnt; die Details über seine eigene Erkrankung hatte er allerdings heruntergespielt, damit sie sich keine unnötigen Sorgen machten. Und auch in Europa mochten Dinge geschehen, die sie dort hielten. Alle drei würden vielleicht Ehen eingehen. Sie würden womöglich von der Reiselust übermannt werden und monate-, wenn nicht jahrelang die Alte Welt erkunden. Oder sie entdeckten ihr Talent für irgendeinen Beruf, der sich in Portugal besser ausüben ließ als in Goa, den des Kunsthändlers zum Beispiel.
    Sidónio, der mit so großem Erfolg die erotischen Miniaturen verkauft hatte, berichtete von verschiedenen europäischen Malern, deren Werke er überaus faszinierend fand. Zwei davon waren der spanische Hofmaler Velázquez sowie der Flame Rubens, deren Namen sogar Miguel ein Begriff waren. Aber von einem jungen Niederländer namens Rembrandt hatte Miguel nie zuvor gehört, und er befürchtete, dass es sich mit dessen Gemälden ähnlich verhielt wie mit der Tulpenmanie, die Sidónio ebenfalls erwähnte: viel Wirbel um nichts. Nun, mit seinem Anteil aus dem lukrativen Geschäft mit indischen Erotik-Darstellungen würde Sidónio machen können, was er wollte. Und wenn er sein Geld für holländische Maler zu verplempern wünschte, bitte sehr.
    Über Bekanntschaften mit jungen Leuten, die als Hochzeitskandidaten in Frage kämen, schrieben die Geschwister nichts. Allerdings, rechnete Miguel aus, hatten sie die Briefe verfasst, nachdem sie gerade ein paar Wochen in Europa gewesen waren, und das war in der Tat ein sehr knapper Zeitraum, um schon von irgendwelchen amourösen Abenteuern berichten zu können. Über ihre Mutter hingegen schrieben die drei ausführlich. Die Begegnung mit dem Bräutigam sei zufriedenstellend verlaufen, Dona Assunção zeige gar Anzeichen von Verliebtheit, las Miguel in den drei Briefen, wobei die Wortwahl der Geschwister deutlich voneinander abwich. Der Bräutigam, Fernão Magalhães da Costa, sei ein sehr vornehmer älterer Herr, der laut Delfina »ein Wolf im Schafspelz ist, was ja immer noch besser ist als ein Schaf im Wolfspelz«. Sidónio beschrieb den Mann als »scharfsinnigen Kaufmann, der uns – Dir – sicher noch den einen oder anderen Rat erteilen kann«, während der älteste Bruder, Sidónio, ihn als »Edelmann mit Esprit« schilderte. Aus alldem schloss Miguel, dass die Kinder mit der Wahl ihrer Mutter einverstanden waren.
    Er würde sich noch heute, am besten jetzt gleich, hinsetzen und den dreien berichten, dass er Bekannte des Senhor Fernão hier in Goa kennengelernt hatte, die sich ähnlich vorteilhaft über den Mann äußerten. Von Isabels Ankunft würde er natürlich ebenfalls erzählen, denn geheim halten ließ sich so eine falsche Verlobte nicht. Die Mendonças würden ohnehin in Lissabon davon erfahren, denn ganz gewiss würden sie auch seine eigene Familie bald aufsuchen, um sie von seinem Wohlergehen in Portugiesisch-Indien in Kenntnis zu setzen. Dasselbe sollte auch er schleunigst tun, denn er hatte viel zu lange

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