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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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errichten, als würden diese helfen, die Kloake und die üblen Dünste zu bekämpfen.«
    Auch diese Briefe sowie einen an Dona Assunção steckte er in Couverts, adressierte sie und legte sie in der Halle bereit. Der Magen knurrte ihm mittlerweile, die Erledigung der Korrespondenz hatte mehrere Stunden in Anspruch genommen. Doch Appetit verspürte er keinen. Er war plötzlich voller Energie und Tatendrang. Er warf einen Blick nach draußen und beschloss, da das Wetter nicht ganz so garstig war, in die neue Stadt flussabwärts zu reiten. Das Solar das Mangueiras befand sich nicht allzu fern davon, bei normalen Straßenverhältnissen benötigte Miguel für den Ritt keine halbe Stunde, bei überfluteten Wegen vielleicht eine Stunde. Seit der Vizekönig, Dom Miguel de Noronha, im vergangenen Jahr die Uferstraße hatte bauen lassen, die Pangim mit dem Dorf Ribandar verband, war die Strecke problemlos zu bewältigen. Es war erst Mittag, er würde vor dem Einbruch der Abenddämmerung zurückkehren können oder schlimmstenfalls dort übernachten.
    Er ließ sein Pferd satteln und schlang unterdessen hastig ein Stück getrockneter portugiesischer Blutwurst hinunter, um seinen Magen zu beruhigen. Seinen treuen Panjo würde er ausnahmsweise zu Hause lassen. Miguel wusste ja nicht genau, in welche Häuser es ihn verschlagen würde und ob Hunde dort wohlgelitten waren.
     
    Als er in Pangim ankam, waren die wenigen Geschäfte geschlossen und die Straßen leer. Miguel beschloss, die ruhige Mittagszeit zu nutzen, um einzukehren und sich zu erkundigen, wo er Senhor Rui, den Juwelier, finden könne. Er sah eine einzige Gaststätte, die nicht sehr einladend war, ging aber trotzdem hinein. Er bestellte sich nur
dhal
und
chapattis,
Linsen und Brot, da er damit am wenigsten falsch machen konnte, dazu einen Schoppen Wein, der sauer und teuer war. Der Wirt war ein schmuddeliger Mann, ein Inder mit dem einen oder anderen portugiesischen Vorfahren. Aber er war leutselig und schien über jede noch so kleine Belanglosigkeit in dem Ort unterrichtet zu sein. »Senhor Rui? Ihr meint sicher Rujul, den Juwelier? Ja, der wohnt gleich unterhalb der Kirche, in einem roséfarbenen Haus, es ist nicht zu übersehen.«
    Miguel bedankte sich für die Information, doch der Wirt wollte so schnell noch nicht von ihm ablassen. »Was führt Euch denn zu ihm?«, fragte er äußerst indiskret. »Seid Ihr vielleicht der Verehrer von Senhorita Isabel? Wird es nun endlich die berühmte Verlobung geben? Bestimmt kauft Ihr einen schönen Ring für die entzückende junge Dame?«
    Miguel wusste nicht, ob er ärgerlich oder belustigt sein sollte. Natürlich war der Mann neugierig, und ein jeder, der mit ihm sprach, profitierte davon. Andererseits war es nicht angenehm, solcherart ausgequetscht zu werden. Anstelle einer Antwort rückte er nun selber dem Wirt mit einer Salve an Fragen zuleibe: »Ach, Ihr kennt die Senhorita Isabel? Wie geht es ihr? Sie ist eine Freundin meiner Familie. Wo finde ich die Dame denn?«
    Der Wirt beantwortete die Fragen und zog beleidigt von dannen. Er würde später, wenn der Fremde erst seinen Wein geleert hätte, einen weiteren Versuch machen. Verstehe einer diese Portugiesen – es war doch selbstverständlich, dass eine Auskunft mit einer anderen »bezahlt« wurde. Er zog sich geräuschvoll die Nase hoch, kratzte sich am Schritt und ging in Gedanken durch, wem er alles von der Ankunft des Verlobten erzählen musste. Da waren der Schneider, der die Kleidung für das Fest anfertigen würde, dann der Astrologe, verschiedene Lebensmittelhändler, der Kopf der besten lokalen Musikertruppe, die Friseure und Barbiere, seine Schwägerin, die der jungen Dame die Hände mit Hennamalereien verzieren würde, sowie sein Cousin dritten Grades, der unbestritten der beste
rangoli
-Künstler des Ortes war. Kein anderer arrangierte so reich verschnörkelte Ornamente aus Blüten, wie sie bei festlichen Anlässen auf dem Boden ausgelegt wurden, auch wenn mancher Portugiese erst noch von der Unentbehrlichkeit dieses traditionellen Schmuckes überzeugt werden musste.
    Als Miguel eine Stunde später das Wirtshaus verließ, hatte er das Gefühl, dass er mehr von sich preisgegeben hatte als geplant. Und wenn schon, dachte er und ging in beschwingter Laune zu dem roséfarbenen Haus. Wie angekündigt, war das Gebäude leicht zu finden, und Senhor Rui war zu Hause.
    Er empfing Miguel mit großem Tamtam, und Miguel freute sich sowohl über diese Begrüßung als auch

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