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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Kaufmanns, würde niemals in den Verdacht geraten, eine flüchtige Diebin zu sein. Und einer verschleierten Frau würde kein noch so gründlicher Soldat jemals unter den Schleier schauen, schon gar nicht in Gegenwart ihres Ehegatten.
    »Wie schrecklich«, hauchte sie, »ich hoffe, wir werden auf der Rückfahrt nicht von dieser Verbrecherin behelligt. Es treibt sich aber auch wirklich immer mehr Gesindel auf den Straßen herum.«
    Der Verwalter pflichtete ihr bei. »Kommt. Diesem unwürdigen Spektakel müssen wir nicht beiwohnen. Lasst uns lieber hoffen, dass der
zamindar
nun bereit ist, Euch zu empfangen.«
    Der Grundbesitzer war ein Greis, dessen ganze Familie von einem kurzen Ausbruch der Pest ausgelöscht worden war. Der einzige Verwandte, der ihn hätte beerben können, war ein entfernter Großneffe, der vor Jahren von der Familie verstoßen worden war. Und so suchte der Alte nun nach einem Käufer für sein Land, damit er mit dem Erlös zu den heiligen Stätten am Ganges reisen und den Priestern seine Barschaft vermachen konnte. Denn was sollten diese mit einer Indigoplantage in einem weit abgelegenen Dorf anfangen?
    Zum Glück hielt Manohar sich an Ambas Anweisungen. Sie hatte ihn vorher genauestens instruiert, wie er mit dem
zamindar
reden und verhandeln müsse, und er machte seine Sache gut. Amba selber wurde in einen Nebenraum geschickt, der allerdings nur durch einen Vorhang von dem Empfangszimmer getrennt war, in dem die beiden Männer saßen. Sie hörte jedes Wort. Dann, die Verhandlungen waren schon fast abgeschlossen, begann Manohar zu feilschen. Amba hielt die Luft an. Was fiel diesem abscheulichen Schwindler ein? Das war so nicht abgesprochen gewesen, und es zeugte nur von der Kleingeistigkeit und von der Gier Manohars, dass er bei einem für beide Seiten vorteilhaften Geschäft nun noch ein paar Goldmünzen mehr herausschinden wollte. Amba schämte sich, konnte aber unmöglich eingreifen.
    Der Alte gab schließlich klein bei. Er verkaufte ihnen Ländereien, Gebäude, Anpflanzungen und die Faktorei weit unter Wert. »Ich habe nicht mehr die Zeit, noch länger auf einen besseren Käufer zu warten«, gab er zu – und sagte ihnen beiden damit indirekt, dass er sie nicht für gute Käufer hielt. Amba pflichtete ihm bei. Es war schäbig, den Alten und damit die Tempelpriester um ihr Geld zu bringen. Später würde sie Manohar dafür zur Rede stellen. Im Augenblick konnte sie jedoch nichts anderes tun, als stillzusitzen und abzuwarten, dass das Geschäft endgültig besiegelt wurde.
    Der neue zamindar und seine Gemahlin verließen das Dorf bereits am nächsten Tag.
    »Nun, mein lieber Manohar«, sagte Amba mit giftigem Unterton, als sie in der Kutsche saßen, »du schuldest mir noch zehn Goldtaler. Wir werden sie in die Errichtung besserer Unterkünfte für die Dorfbewohner investieren.«
    »Meine liebe Gemahlin«, sagte Manohar mit überheblicher Stimme, »du hattest mir die Summe ausgehändigt, die du zu zahlen bereit warst. Alles, was ich eingespart habe, gehört mir. Betrachte es als eine Art … Provision.«
    »Wenn du mich noch einmal duzt, du nichtswürdiger Lump, werde ich dich hier auf offener Strecke eigenhändig aus der Kutsche stoßen. Für dich bin ich noch immer ›Dona Amba‹.«
    »Gewiss. Und wer sagt dir, liebe Gemahlin, dass nicht du es bist, die versehentlich aus dem Gefährt fällt?«
    Amba war vor Zorn über die Frechheiten dieses Blutegels sprachlos. Wie hatte ihre Wahl jemals auf Manohar fallen können? Sicher, er sah in der entsprechenden Kleidung sehr distinguiert aus, und auch seine gehobene Sprechweise hatte ihn zum »Gemahl« qualifiziert. Aber sein Charakter war derart niedrig, seine Denkweise so verdorben, dass sie ernsthaft darüber nachgrübelte, den Mann zu töten. Er würde sie nie wieder in Frieden lassen, seine Erpressungen würden kein Ende nehmen. Sie musste sich etwas einfallen lassen. Immerhin hatte er nie ihr Gesicht gesehen. Manohar war imstande, sie für das Kopfgeld, das auf sie ausgesetzt war, zu verraten – aber er ahnte glücklicherweise nicht, dass es sich bei der Flüchtigen um Dona Amba handelte. Oder doch? Dumm war Manohar nicht. Seine Verschlagenheit war dergestalt, dass sie auf einen messerscharfen Verstand schließen ließ. Und abgrundtiefe Boshaftigkeit gepaart mit Intelligenz war eine hochgefährliche Mischung.
    Zurück in Goa, zahlte Amba den Betrüger aus. Die Hälfte seines Lohns hatte er vorab erhalten, die andere Hälfte war jetzt, nach

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