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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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wusste sogar sie. Ein breites Grinsen überzog ihr faltiges Gesicht. »Sind wir nun reich?«, fragte sie.
    »Ja, Nayana, wir sind reich.«
    Aber Amba fragte sich, wie lange noch. Nach dem Kauf der Plantage in Karnataka und eines Wohnhauses in Goa sowie nach der Entsendung Manohars nach Europa wäre von dem Geld nicht mehr viel übrig. Und wer wusste schon, wie schnell die Plantage etwas abwerfen würde?
     
    Als die Kutsche mit dem vornehmen Ehepaar das Dorf erreichte, das bei der Plantage lag, war es helllichter Nachmittag. Nur ein paar Alte und Kinder waren zu sehen, alle anderen Leute waren wahrscheinlich bei der Arbeit. Die Erinnerung an die Zeit, in der sie selber auf die Lauge eingedroschen hatte, um ihr Sauerstoff unterzumischen, überfiel Amba genauso plötzlich, wie die Kutsche zum Halten kam. Es war eine hässliche und schwere Arbeit gewesen. Wer ihr tagaus, tagein nachgehen musste, wurde nicht alt. Wenn Amba nun am Ende des Tages tatsächlich Besitzerin einer eigenen Plantage sein sollte, dann würde sie, das schwor sie sich im Stillen, für bessere Arbeitsbedingungen sorgen.
    Ein hustender Alter kam auf sie zugehumpelt. Er wies ihnen den Weg zum Aufseher der Plantage, der ausnahmsweise zu Hause weilte. Ausnahmsweise?, dachte Amba. Bestimmt hält der Mann jeden Tag in den heißen Nachmittagsstunden ein Schläfchen. Der Aufseher kam tatsächlich kurz darauf mit Quetschfalten in der Wange und verklebten Wimpern zu ihnen. Er scheuchte seine Diener barsch herum, um von seiner eigenen Faulheit abzulenken, und widmete sich seinen so frühzeitig erschienenen Gästen mit geheuchelter Unterwürfigkeit. Ob sie ein Zitronenwasser wünschten oder ein salziges
lassi?
Ob er mit einem Imbiss dienen dürfe oder ob die Herrschaften sich erst erfrischen wollten? Nein, beschieden sie ihm, sie wollten das Tageslicht noch ausnutzen, um sich einen ersten Eindruck von der Plantage zu machen.
    Es ging dort noch menschenunwürdiger zu als auf der Plantage, die Amba einst kennengelernt hatte. Die Arbeiter waren ausgemergelt und dem Verdursten nah, was den Vorarbeiter erst recht dazu animierte, sie mit einer Peitsche anzutreiben. Hochschwangere Frauen mit Gesichtern wie Greisinnen schlugen die Lauge in der Küpe, die einen beißend giftigen Geruch verströmte. Kleine Jungen, keine acht Jahre alt, halfen den Männern beim Bündeln der Indigozweige, und kleine Mädchen schleppten die Säuglinge, die von ihren Müttern im Staub abgelegt worden waren, dem winzigen Schatten nach, den der einzige karge Baum weit und breit warf.
    Zur Abenddämmerung sammelten die Leute sich, um gemeinsam zurück ins Dorf zu gehen. Amba, ihr »Gemahl« und der Verwalter fuhren mit der Kutsche und überholten die müde sich dahinschleppenden Arbeiter. Als sie im Ortskern angelangt waren, befanden sich dort zwei uniformierte Männer auf Pferden, die, wie es den Anschein hatte, auf die Rückkehr der Dorfbewohner warteten. Der Verwalter sprang behende aus dem Gefährt, um vor dem Paar, das demnächst vielleicht seine Herrschaft würde, seine Wichtigkeit zu demonstrieren.
    »Was gibt es?«, sprach er die Uniformierten an.
    »Wir suchen nach einer gefährlichen Verbrecherin. Wir wollen die Beschreibung der Frau vor der versammelten Dorfgemeinschaft durchgeben. Die Übeltäterin ist sehr findig, sie ist eine Meisterin in der Kunst des Verkleidens und Untertauchens.«
    »Hier hält sich bestimmt niemand versteckt«, behauptete der Verwalter. »Ihr haltet die Leute nur auf. Sie sollen essen und ruhen, damit sie morgen wieder tüchtig anpacken können. Es ist Erntezeit, da können wir es uns nicht erlauben, auch nur eine einzige Minute zu verplempern.«
    »Anordnung Seiner Hoheit des Maharadschas«, erwiderte einer der Männer kalt.
    Amba und Manohar steckten die Köpfe aus der Kutsche, doch sie verstanden nur die Hälfte des Gesprächs. Als der Verwalter sich wieder zu ihnen gesellte, fragten sie ihn, was los sei.
    »Ach, nichts. Diese Männer suchen nach einer gemeinen Verbrecherin. Aber hier hält sie sich gewiss nicht auf. Das Dorf ist klein, hier kennt jeder jeden, und es hätte sich längst herumgesprochen, wenn eine Fremde aufgetaucht wäre.«
    Ambas Herzschlag beschleunigte sich. Suchte man noch immer nach ihr? Es lag Monate zurück, dass sie dem Scheiterhaufen entronnen war. Ihre Schwäger würden doch wohl nicht noch immer nach ihr fahnden? Sie beglückwünschte sich insgeheim für ihre Tarnung. Eine vornehme Dame, noch dazu die Gemahlin eines reichen

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