Der indigoblaue Schleier
ihr Haushalt wuchs stetig, denn bei jeder von Ambas Reisen zu ihrer Plantage las sie einen neuen Pechvogel auf, dem sie Unterschlupf gewährte. Mittlerweile hatte sie ihre Kenntnisse des Konkani sowie des Portugiesischen so weit perfektioniert, dass man nur noch bei genauem Hinhören einen leichten Akzent ausmachen konnte, und ihren Katechismus kannte sie ebenfalls.
Auf der Indigoplantage schien man sich damit abgefunden zu haben, es nur noch mit der Gemahlin des
zamindars
zu tun zu haben und nicht mit dem Grundbesitzer selbst. Den Ertrag, den die Plantage abwarf, hatte Amba zunächst in bessere Bedingungen für die Arbeiter gesteckt, von dem letztlich, davon war sie überzeugt, auch die Produktion profitieren würde. Und so war es auch gekommen: Schon nach drei Jahren war der Erlös dank einer besonders reichen Ernte und steigender Nachfrage in Übersee enorm gestiegen.
Amba wollte nicht, dass sie, über die in der Gesellschaft von Goa so wenig bekannt war, mit der einträglichen Indigoplantage in Karnataka in Verbindung gebracht wurde. Je offensichtlicher ihr Reichtum wäre, desto schärfer hätte die Inquisition sie beobachtet – es war allgemein bekannt, dass wohlhabende Hindus mit mehr Inbrunst verfolgt wurden als arme. Aus diesem Grund suchte sie weiterhin in regelmäßigen Abständen den Juwelier Rujul auf und bot ihm Edelsteine zum Kauf an. Schon lange waren es nicht mehr die Steine, die sie einst aus dem Säbel herausgelöst hatte. Jetzt ließ sie sich den Gewinn ihrer Plantage in Juwelen ausbezahlen, da diese, so hatte sie dem Verwalter erklärt, einfacher zu verstecken seien, ein großer Vorteil auf Reisen. Dass sie in Goa nicht mit Goldmünzen auftauchen wollte, die mit hinduistischen Glückssymbolen und den Insignien eines fernen Maharadschas geprägt waren, verriet sie dem Verwalter indes nicht.
Rujul stellte nie auch nur eine Frage zu der Herkunft der Edelsteine, von denen sie einen schier unerschöpflichen Vorrat zu besitzen schien. Für ihn war Dona Amba eine sehr gute Kundin, die er nicht zu verlieren beabsichtigte. Gelegentlich fragte sie ihn nach dem Diamanten, und auf Wunsch zeigte er ihn ihr. Er veranstaltete dann jedes Mal ein großes Theater, verriegelte die Ladentür, zog die Vorhänge zu, öffnete ein schweres, altmodisches Schloss an einer eisenbeschlagenen Truhe, zog aus deren im Boden eingelassenen Geheimfach ein ebenfalls abschließbares Kästchen hervor und öffnete dieses dann mit der Miene eines Magiers, der ein besonders schwieriges Zauberkunststück vorführt. »Hier ist er, Dona Amba, überzeugt Euch selbst. Ich hüte ihn wie meinen Augapfel.«
Amba hatte noch nicht ganz die nötigen
15 lakh
zusammen, die sie zum Rückkauf brauchte. Aber in dem verbleibenden Jahr bis zur Ablösung würde sie die Summe aufbringen, und wenn sie dafür hungern musste. Auf keinen Fall würde sie zulassen, dass das einzige Erbstück, das sie von ihrer Mutter besaß, in den Besitz fremder Menschen überging.
Nur ganz selten überfielen sie Zweifel an ihrem Vorhaben. Warum war sie so versessen darauf, den Stein zurückzuerwerben, wo er ihr doch nichts als Unglück gebracht hatte? Er war einer der Gründe gewesen, warum Onkel Manesh ihren Vater getötet hatte, und er war dafür verantwortlich, dass ihre Schwäger sie suchen ließen, anstatt sie einfach ihres Wegs ziehen zu lassen. War sie selber am Ende gar nicht besser als all diese habgierigen Männer? Was war es, was dieses Juwel so begehrenswert machte? Als Rücklage für eine eventuelle Flucht taugte der Diamant schließlich nicht viel, wie sie aus eigener leidvoller Erfahrung nur zu gut wusste. Er war viel zu groß, als dass man ihn schnell hätte losschlagen können. Und als Andenken an ihre Mutter? Ach, sie wusste doch nicht einmal mehr, wie ihre Mutter ausgesehen hatte! Und ganz sicher würde so ein kalter, harter und absolut geruchloser Stein ihr nicht die Erinnerung an eine warme, weiche, nach Rosenwasser duftende Dame zurückgeben.
Es ging doch auch ohne den vermaledeiten Stein. Ihr Bruder Vijay wusste nichts von der Existenz des Diamanten und war auch ohne ihn zu Wohlstand und Ansehen gelangt. Sie selber hatte ein Vermögen verdient, und es war Irrsinn, dieses für ein Juwel zu opfern, das nur Leid über seinen Besitzer brachte und mit dem man sich nicht einmal schmücken konnte. Ihn in der Öffentlichkeit zu tragen war ausgeschlossen, denn das hätte nur wieder die unersättliche Kirche samt ihrer Häscher auf den Plan gerufen. Einzig
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