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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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heute Morgen, und der bringt Glück. Also will ich Euch dieses Glück damit vergelten, dass ich Euch daran teilhaben lasse. Ich überlasse Euch diese Schätze für 14 , 4
lakh,
ach, was rede ich da, für runde 14
lakh.
Das ist ein lächerlicher Preis, wie Ihr wohl wisst.«
    Und so feilschten sie noch geraume Zeit. Es wurde Tee gereicht, man setzte sich, man erzählte sich allerlei sagenhafte Geschichten von märchenhaften Schätzen und wagemutigen Kaufleuten. Beinahe jeder Gegenstand im Geschäft wurde von Miguel begutachtet und von Senhor Rui mit einem dazu passenden Märchen versehen. Senhor Rui revidierte seine Meinung. Der junge Ribeiro Cruz war vielleicht doch nicht so ein Banause wie seine Landsleute. Immerhin verstand er es, zuzuhören.
    Als die Kirchenglocken zur Mittagszeit schlugen, erhob Miguel sich. »Ich danke Euch für diesen vergnüglichen Vormittag, Senhor Rui. Leider muss ich heute noch anderen Verpflichtungen nachkommen, und ich bedauere es sehr, dass wir noch nicht handelseinig geworden sind. Denkt über mein Angebot nach: Sieben
lakh
für beides, Service und Diamant, zusammen. Ich denke, bei einem solchen Vermögen sollten wir nichts überstürzen.«
    »Wie bedauerlich, dass wir keine Einigung erzielen konnten. Denkt auch Ihr über mein letztes Angebot nach: Zehn
lakh,
das ist der Mindestpreis, den ich erzielen muss, wenn ich nicht bankrottgehen will.«
    »Ich werde Euch dieser Tage einen weiteren Besuch abstatten. Ich sehe unserem nächsten Gespräch mit großer Spannung entgegen.«
    »Oh ja, ich auch, mein lieber Senhor Miguel. Ich hoffe sehr, dass sich bis dahin kein anderer Käufer für diese Schätze findet – ich würde sie bei Euch in den besten Händen wissen.«
    Miguel lachte herzlich über die Bemerkung. Ein Kaufmann, der hoffte,
keinen
Käufer für seine Ware zu finden, war ihm bisher noch nicht untergekommen. Sie verabschiedeten sich, als seien sie alte Freunde, dann stapfte Miguel entschlossenen Schrittes davon, um bloß nicht noch länger die Wortschwalle des Inders über sich ergehen lassen zu müssen.
     
    Als er die Stelle erreichte, an der er sein Pferd der Obhut eines Pferdeburschen überlassen hatte, glaubte Miguel, eine Sänfte um die Ecke entschwinden zu sehen, aus der ein Stück blauen Stoffs flatterte. Seine Euphorie wich leichter Enttäuschung. Nun hatte er zwar den Preis fast aller im Orient gefertigten Luxusgüter erfahren und damit das Ziel erreicht, das er sich mit seinem Besuch des Juweliergeschäftes gesetzt hatte, aber dafür war ihm nur knapp der majestätische Anblick von Dona Amba entgangen. Bis er sein Pferd zurückhatte, wäre sie längst fort, und zu Fuß würde er der Sänfte wohl kaum nachrennen.
    Vier Milreis forderte der indische Kaufmann für ein auf Elfenbein gemaltes Bildnis, sieben für eine Alabasterschatulle, fünfzehn für ein Jagdmesser mit Ebenholzgriff, siebzig für einen mit Rubinen besetzten Dolch, hundert für ein erlesenes Porzellanservice, fünfzehnhundert für den sagenhaften Diamanten. Das alles konnte er getrost durch vier teilen, um den Einkaufspreis zu ermitteln. Und selbst wenn er den Verkaufspreis verdoppelte, würden die Waren in Europa noch als sehr günstig gelten. Ein Porzellanservice wie jenes chinesische kostete in Lissabon dreimal mehr, als Senhor Rui dafür forderte. Miguel wusste das deshalb so genau, weil seine Mutter zur Hochzeit von Bartolomeu ein beinahe identisches gekauft hatte.
    »Eine
paisa
bitte, Senhor«, riss ihn der Pferdebursche aus seinen Gedanken. Miguel kramte in seinem Geldbeutel nach der gewünschten Münze, fand jedoch keine. Er gab dem Jungen eine andere, die den zehnfachen Wert hatte. Und er wollte unter die Kaufleute gehen?
     
    Rujul rieb sich unterdessen die Hände. Wenn er tatsächlich die sieben
lakh
bekäme, dann hätte er ein phantastisches Geschäft gemacht. Aber woher, fragte er sich beunruhigt, wollte der junge Taugenichts diese Summe nehmen? Er würde doch nicht etwa einen Kredit von ihm, Senhor Rui Oliveira, wollen? Nicht, dass er grundsätzlich etwas gegen das Verleihen von Geld einzuwenden gehabt hätte. Es war ein sehr einträglicher Nebenerwerb. Aber Wuchergeschäfte mit dem Junior von Ribeiro Cruz? Das ging nicht. Senhor Furtado würde ihm, wenn er es herausbekäme, die Hölle heißmachen und ihm nicht länger den günstigen Frachtpreis auf den Gewürzschiffen gewähren. Nein, das konnte er sich nicht erlauben. Aber vielleicht wollte der junge Mann ja auch gleich bezahlen? Nur: wovon?

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