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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Furtado gegen ihn hegte, keineswegs vergessen. Dennoch – oder vielleicht gerade drum – wollte er es sich nicht mit dem Mann verscherzen. Furtado war bisher eine große Hilfe für ihn gewesen, und er würde sich auch in Zukunft gern seiner Unterstützung sicher sein können. Insbesondere bei der Suche nach dem Betrüger in den eigenen Reihen wäre ein Mann mit Furtados buchhalterischem Talent und mit dessen Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten von großem Vorteil.
    Miguel glaubte nicht, dass es ein Dieb in Lissabon war, der das väterliche Unternehmen schädigte. Wer hätte das sein sollen? Er selber war unschuldig, und die einzigen anderen Menschen, die die Möglichkeit besessen hätten, diesen Schwindel so geschickt durchzuführen, hatten dazu keinerlei Veranlassung. Sein Bruder Bartolomeu etwa? Warum sollte er die eigene Firma bestehlen? Der Betrüger musste also bereits hier in Goa tätig geworden sein. Vielleicht verhielt es sich so, dass die Ware gar nicht erst in den angegebenen Mengen auf das Schiff gelangt war? Vielleicht hatte man einen Kapitän bestochen, damit der beispielsweise den Empfang von 100 Säcken bestätigte, wo es nur 80 waren? In diesem Fall könnte durchaus Furtado selbst der Übeltäter sein.
    Miguel musterte den Inder verstohlen. Nach nunmehr einem halben Jahr in Portugiesisch-Indien war er mit Gestik und Mimik der Inder einigermaßen vertraut. Auch ihre Physiognomien, die sich nicht allzu sehr von denen der Europäer unterschieden, ließen sich leicht deuten. Obwohl anscheinend alle Inder große dunkle Augen hatten, konnte Miguel sehr gut den Unterschied zwischen einem kalten, berechnenden Blick und einem warmherzigen, gütigen Ausdruck darin ausmachen. Und Senhor Furtado mit seinen listig, aber freundlich dreinschauenden Augen, mit seinen keck nach oben gebogenen Mundwinkeln sowie seiner Art, schnell zu sprechen und sich trotz seines dicken Bauchs noch flinker zu bewegen, sah ihm beim besten Willen nicht wie jemand aus, der unlautere Absichten hegte.
    Aber wie zum Teufel sah so jemand aus?
    »Habt Ihr noch mehr Dinge in der Stadt zu erledigen? Dann seid Ihr, wie immer, herzlich willkommen, in meinem Haus zu übernachten«, riss ihn der Inder aus seinen Gedanken.
    »Danke, Senhor Furtado. Es könnte tatsächlich sein, dass ich auf Euer freundliches Angebot zurückkomme.« Miguel hatte nicht vorgehabt, sich länger in der Stadt aufzuhalten. Doch das Wetter war schön und lud zu einem ausgedehnteren Bummel ein. Auch hatte er Carlos Alberto seit einigen Wochen nicht mehr gesehen. Er könnte mit seinem Freund zu Mittag essen, vorausgesetzt, er fände ihn. Dass er am helllichten Tag in seinem fürchterlichen Zimmer blieb, konnte Miguel sich nicht vorstellen, aber so schwer dürfte es ja nicht sein, ihn zu finden. »Ja«, sagte er deshalb zu Furtado, »wenn ich es mir recht überlege, wäre ich hocherfreut, wenn ich Eure Gastfreundschaft in Anspruch nehmen dürfte. Würde es Euch – und der hochverehrten Senhora Furtado – passen, wenn ich zum Einbruch der Abenddämmerung erschiene?« Und bevor Furtado noch etwas antworten konnte, fügte er schnell hinzu: »Und treibt um Gottes willen nicht wieder so einen Aufwand!«
    Furtado rollte lächelnd den Kopf. »Wir freuen uns auf Euren Besuch!«
     
    Miguel verbrachte den Nachmittag allein. Seinen Freund hatte er nicht auftreiben können, und so war er durch die Straßen gezogen, hatte sich in Winkel vorgewagt, in denen er wahrscheinlich nicht gern gesehen war, und hatte an schlichten Ständen haltgemacht, an denen alte Frauen süße, in Fett ausgebackene Leckereien anboten. Er war in Läden gegangen, die vorwiegend von der eingeborenen Bevölkerung aufgesucht wurden, so zum Beispiel das Geschäft eines Baders, in dem es Dinge gab, von denen er nie auch nur gehört hatte. Gelbwurzpaste zur Bleichung der Haut, Jasminöl für geschmeidiges Haar oder zerstoßene Tigerzähne zur Steigerung der Manneskraft gab es dort. Der Mann, der das Geschäft betrieb, gab über jedes Pulver und jedes Wässerchen bereitwillig und ohne die geringste Scham Auskunft. Über Frauenleiden sprach er ebenso ungerührt wie über Warzen, Furunkel oder Verstopfung, und er bot Miguel sogar an, dessen Urin einer Analyse zu unterziehen. Als Miguel fragte, worin die Untersuchung denn bestünde, antwortete der Mann allen Ernstes, anhand von Farbe, Geruch und Geschmack des Urins könne er auf den Gesundheitszustand der Person schließen. »Geschmack? Sie kosten ihn?!«, hatte

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