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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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sich mit den exotischen Gewürzen vertraut zu machen. Nun würde er auch die Geduld aufbringen, sich die manchmal sehr ausschweifenden Erklärungen von Senhor de Sousa anzuhören.
    Also lernte er im Laufe des Nachmittags, dass die Gewürznelke nichts anderes war als die getrocknete Blütenknospe des Gewürznelkenbaums und dass man sie nicht nur zum Verfeinern in der Küche verwendete, sondern auch als Medizin. Die Nelke hatte eine leicht betäubende Wirkung, so dass man das aus ihr gewonnene Öl zum Beispiel dazu benutzte, es zahnenden Kindern aufs Zahnfleisch zu tupfen. Er staunte ebenfalls über die vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten der Muskatnuss und der Pflanzenteile, die sie umgaben. So wurde aus der roten Blüte, der
macis,
die die Nuss ummantelte, ebenfalls ein Gewürz gewonnen, während das Fruchtfleisch zu einer Art Marmelade eingekocht wurde. Denn die Muskatnuss war, so lernte Miguel, eigentlich gar keine Nuss, sondern der Kern einer aprikosenähnlichen Frucht. Aus diesem Kern stellte man in Indien auch zahlreiche Medikamente her, und besonders bei Ekzemen und ähnlichen Hautleiden hatten sich, so Senhor de Sousa, Salben mit zerriebener Muskatnuss sehr bewährt.
    Sein Betreuer zeigte ihm auch Kardamom, dessen Kapseln das Aroma viel besser bewahrten als die gemahlenen Kerne, und das, genau wie Kumin beziehungsweise Kreuzkümmel, bei Verdauungsstörungen Wunder wirke und außerdem als Aphrodisiakum sehr geschätzt wurde. Miguel erfuhr weiterhin, dass die gelblichen Wurzelknollen der Kurkuma-Pflanze weniger wegen ihres herben Aromas als vielmehr wegen ihrer Färbekraft verwendet und daher gern als Safranersatz genommen wurden, denn sie waren wesentlich preiswerter. Der unerhört teure Safran wiederum wurde gar nicht in den seenahen tropischen Gebieten gewonnen, sondern im Norden Indiens angebaut.
    Zimtbäume jedoch gediehen aufs Prächtigste in Goa. Miguel lernte, dass es die Rinde selbst war, aus der die aromatischen Zimtstangen bestanden, dass aber in Indien auch die Blätter verwendet wurden, um daraus etwa einen Sud gegen Appetitlosigkeit oder auch antiseptische Lösungen zu gewinnen.
    Senhor de Sousa machte Miguel anschließend mit Zitronengras, Ingwer und Betelnüssen vertraut, wohl wissend, dass diese für den Export keine Rolle spielten. Er schien seinen Spaß daran zu haben, Miguel die Wachstumsperioden von Bananenstauden und die Beschaffenheit der riesigen Jakobsfrüchte zu erklären, und er wurde nicht müde, ihm den Wohlgeschmack hiesiger Mangos und Cajú-Früchte anzupreisen, die erst zum Ende der Trockenzeit hin erntereif wären. Nur über eine Pflanze verlor er kein Wort, was Miguel verwunderte. Immerhin gehörte Vanille, zusammen mit Safran und Pfeffer, zu den teuersten Gewürzen in Europa.
    »Was ist mit der Vanille, Senhor de Sousa? Warum wächst ausgerechnet diese Kostbarkeit hier nicht?«
    »Oh, Ihr habt gut aufgepasst, mein hochverehrter Senhor Ribeiro Cruz, ja, sehr gut aufgepasst. Nun, um es kurz zu machen: Die Pflanze würde wahrscheinlich bestens in Goa gedeihen – aber noch haben die Spanier mit ihren Pflanzungen in Mittel- und Südamerika ein Monopol darauf.« Das hatte Miguel natürlich schon gewusst – immerhin hatte er wochenlang die Frachtpapiere studiert. Gerade setzte er an, um seine Frage zu präzisieren, als Senhor de Sousa ihm zuvorkam. »Wild wächst die Vanille hier nicht. Gewiss ist Euch aufgefallen, dass sie auch in der indischen Küche kaum Verwendung findet.«
    Nein, das war Miguel bisher nicht aufgefallen. Die meisten Gerichte waren so intensiv und mit so vielen verschiedenen Gewürzen aromatisiert, dass er mit seinem ungeübten Gaumen die einzelnen Bestandteile nicht herausschmecken konnte. Er rollte mit dem Kopf, woraufhin sich auf Senhor de Sousas Gesicht ein schelmisches Lächeln schlich. »Ihr habt Euch gut eingelebt, wie ich sehe.«
    Miguel musste lachen. »Ja, und dieses indische Kopfrollen ist mir zu einer wirklich unentbehrlichen Geste geworden. Nicht ›ja‹, nicht ›nein‹, mehr so etwas wie ›möglicherweise schon‹ oder ›eventuell nicht‹ oder auch ›sehr gerne, wenn es mir denn unwahrscheinlicherweise möglich sein sollte‹. Es entspricht ganz dem Geist des Landes, in dem alles möglich und noch mehr verboten ist.«
    Den Abend dieses Tages beschloss Miguel bei einem Essen, das einmal wieder viel zu reichhaltig war. Es gab die verschiedensten Speisen, vegetarische und Fleischgerichte, in denen all die wunderbaren Gewürze, die er heute

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