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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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zu kindlich, die zweite zu schüchtern und die dritte zu überheblich.
    Nun, da hatte der Astrologe wahrscheinlich genau das getan, was Miguel immer schon vermutet hatte: ihm blanken Unsinn aufgetischt.

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13
    W enige Tage nach dem Diner bei den Mendonças erhielt Miguel seine erste Lektion im Gewürzanbau. Mit der Absicht, sich schnell einen Überblick über die Grundkenntnisse zu verschaffen, hatte er sich am späten Vormittag auf den Weg zu der Plantage gemacht und gehofft, schon wenig später wieder zurückreiten zu können. Doch der Verwalter durchkreuzte seine Pläne.
    Der Mann war wild entschlossen, den hohen Besucher nicht nur mit sämtlichen Details des Gewürzanbaus vertraut zu machen, sondern ihn auch mit opulenten Mahlzeiten sowie übertriebener Gastfreundschaft zu beeindrucken. Und so kam es, dass Miguel nach einem äußerst üppigen und scharfen Mittagessen durch die schwül-heißen Wälder geschleppt wurde und jede einzelne Pflanze erklärt bekam. Er musste sich sehr um Konzentration bemühen, denn mit vollem Magen und nach dem Genuss des selbstgebrannten
feni,
des Cajú-Schnapses, war ihm mehr nach Dösen zumute als nach einer ausufernden Lehrstunde in Botanik. Wider Erwarten aber faszinierten ihn die Pflanzen, die hier so unscheinbar wirkten und deren Früchte in Europa so unglaublich teuer waren.
    Allen voran der Pfeffer. Es handelte sich um eine Kletterpflanze, die sich an den Stämmen von Betelpalmen und anderen Bäumen emporrankte, und zwar, wie der Verwalter ihn wissen ließ, bis zu einer Höhe von fünf aufeinanderstehenden Männern. Man hielt die Pflanze allerdings kürzer, um sie besser abernten zu können. Dies geschah, so lernte Miguel weiter, zweimal im Jahr. Zwischen den immergrünen Blättern hingen die Ähren, und jede dieser Ähren trug etwa 20 bis 30 kleine Beeren, die erst grün und später, voll ausgereift, rot waren. Aus diesen kleinen Beerenfrüchten wurden alle Sorten an Pfeffer gewonnen, der schwarze, weiße, grüne und rote.
    »Schwarzen Pfeffer erhält man, indem man die Beeren in unreifem Zustand erntet und sie, zu Haufen aufgeschichtet, fermentieren lässt. Danach werden sie auf Matten in der Sonne zum Trocknen ausgelegt, bis ihre grüne Hülle schwarz und runzlig wird«, dozierte der indoportugiesische Verwalter, Senhor de Sousa, stolz. »Roter Pfeffer wird aus den voll ausgereiften Beeren gewonnen. Den weißen Pfeffer wiederum erhalten wir, indem wir die ausgereiften Beeren genau zu dem Zeitpunkt ernten, zu dem sie eine gelbliche Tönung annehmen. Die Beeren werden eine Woche lang in Säcken gewässert, bevor sie ausgebreitet werden und man die aufgeweichte Fruchthülle vom Kern entfernt. Dies geschieht dadurch, dass die Frauen und Mädchen darauf herumtrampeln. Wenn der gräuliche Kern freiliegt, wird dieser nochmals gewaschen und anschließend zum Trocknen ausgelegt. Dadurch wird er hell.«
    Miguel nickte wie ein Musterschüler, während er seinen Blick auf die grüne Ähre in seiner Hand gerichtet hielt. Unbegreiflich, dass diese Pflanze, die hier wie Unkraut wuchs und nicht einmal eigene Felder brauchte, sondern nur einen Wirtsbaum, daheim einen so hohen Wert hatte. Dass es anderen als schwarzen Pfeffer gab, hatte er nicht einmal gewusst, denn dieser allein war es, der nach Europa gebracht wurde. Um dem eifrigen Senhor de Sousa zu beweisen, dass er gut aufgepasst hatte, fragte Miguel: »Und grüner Pfeffer? Wie wird er gewonnen?«
    »Grünen Pfeffer erhält man ebenfalls aus der unreifen, grünen Beere. Diese wird in Salz- oder Essiglauge eingelegt. Weil er mangels Trocknung nicht für die Ausfuhr geeignet ist, kennen viele Europäer den grünen Pfeffer gar nicht. Er ist sehr mild, aber ebenfalls eine Delikatesse. Ich werde dafür sorgen, dass Ihr heute Abend ein Gericht serviert bekommt, in dem Ihr den exquisiten Geschmack kosten könnt.«
    »Oh, das ist zu freundlich von Euch, aber ich hatte nicht vor, so lange zu bleiben«, beeilte Miguel sich zu sagen.
    Senhor de Sousa blickte ihn konsterniert an. »Es wird aber nicht anders gehen. Wir fangen doch gerade erst an. Ihr habt noch keine Nelken, keine Muskatnuss, keinen Zimt gesehen. Ich werde Eure Zeit noch ein wenig in Anspruch nehmen müssen. Natürlich haben wir ein Zimmer für Euch gerichtet, so dass wir in aller Ruhe bis zum Sonnenuntergang unseren Spaziergang fortsetzen können.«
    Miguel fand die autoritäre Art des Mannes amüsant und fügte sich in sein Schicksal. Es stimmte ja: Er war hierhergekommen, um

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