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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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der Einfahrt näherte, ließ Ambas Herz nicht vor Furcht, sondern vor Freude schneller schlagen.
    »Akash-sahib!«, rief sie und eilte ihm entgegen.
    »Ambadevi!« Er stieg von seinem Pferd ab und strahlte die Hausherrin an. »Wie froh ich bin, Euch anzutreffen! Verzeiht mein unangekündigtes Auftauchen, aber ich hatte keine Zeit, Euch eine Nachricht zukommen zu lassen. Ich kann leider auch nicht lange bleiben.«
    »Ihr habt ganz recht daran getan, mich einfach zu überfallen. Was für eine gelungene Überraschung!«
    »Es war nicht leicht, Euch hier zu finden. Ihr habt Euch ein schönes Versteck gesucht.«
    Amba horchte erschrocken auf. Doch Akash schien sich bei seiner Bemerkung nichts weiter gedacht zu haben. Der Kaufmann, den sie bei ihrer letzten Reise von der Indigoplantage zurück nach Goa kennengelernt hatte, lächelte sie offen an. Er sah sich anerkennend um. »Ja, wirklich schön habt Ihr es hier. Kein Wunder, dass Ihr diesen Ort nicht freiwillig verlasst. Als ich mich im Dorf nach dem Weg erkundigte, hörte ich, dass Ihr hier lebt wie eine Einsiedlerin.«
    »Aber keineswegs, lieber Akash-sahib. Ich habe jede Menge Gesellschaft, und Besucher sind auch immer herzlich willkommen – wenn es sich um so angenehme Gäste wie Euch handelt.« Amba wandte sich von ihm ab und rief nach Makarand, den sie kurz zuvor am Dienstbotentrakt gesehen hatte. Als der Junge kam, bat sie ihn, sich um das Pferd und das Gepäck des Besuchers zu kümmern und in der Küche Bescheid zu sagen, sie habe zum Frühstück Gesellschaft.
    »Kommt, es ist ein so wundervoller Morgen, setzen wir uns auf die Veranda. Und dann berichtet mir in allen Einzelheiten, was Euch hierherführt und wie es Euch seit unserer gemeinsamen Reise ergangen ist.«
    Akash folgte ihrer Aufforderung. Er ließ sich auf einer der gemauerten Bänke nieder und beobachtete aus den Augenwinkeln die Diener, die sich an den Hauswänden herumdrückten. Er schmunzelte angesichts dieses plötzlich erwachten Eifers, jederzeit zur Stelle sein zu können, wenn Ambadevi einen Wunsch äußerte. Allzu häufig sah man hier wohl wirklich keine Gäste. Er nahm dankend einen Masala-Chai an und lobte Amba ausgiebig dafür.
    »Ja, ich habe mir erlaubt, Euer Rezept noch ein wenig abzuwandeln. Weniger Pfeffer, dafür mehr Zimt. So schmeckt er etwas milder.«
    Sie fachsimpelten eine Weile über die Zusammensetzung der Mischung sowie über die wohltuende oder medizinische Wirkung, welche die Gewürze hatten. Akash berichtete von seinen Reisen, die ihn durch die halbe Welt führten, bedauerte aber, nicht noch ausführlicher erzählen zu können. »Ich muss die Ware, die ich in Macao erworben habe, hier in Goa an den Mann bringen – und dann Indigo und Gewürze kaufen, mit denen sich in Europa eine deutlich größere Gewinnspanne erzielen lässt. Nächste Woche geht ein Schiff nach Bombay, auf dem ich Laderaum angemietet habe, und ich habe noch alle Hände voll zu tun.«
    Amba war einen Augenblick versucht, sich mit Akash über das aktuelle Indigo-Geschäft zu unterhalten, entschied sich dann aber dagegen. Der Morgen war zu schön, der Besuch zu erfreulich, als dass sie die knapp bemessene Zeit mit geschäftlichen Dingen hätte vergeuden wollen. Akash war ja bestimmt nicht deswegen hierhergekommen. Wahrscheinlich hatte er sich nach den Wochen und Monaten in rauer männlicher Gesellschaft einfach nach einer freundlichen, mitfühlenden Frau gesehnt, die ihn daran erinnerte, wie ein kultiviertes Leben aussah.
    Als habe er ihre Gedanken gelesen, sagte Akash nun: »Ihr fragt Euch sicher, aus welchem Grund ich Euch aufsuche?«
    Amba rollte in typisch indischer Manier den Kopf. Natürlich fragte sie sich das, und es sprach nicht gerade für sehr geschliffene Manieren, das Thema so direkt anzusprechen. Aber gut, der Zeitmangel entschuldigte Akash.
    »Es ist, wie soll ich sagen, eine etwas heikle Angelegenheit.«
    »Ja?«
    »Ist Euer Gemahl zugegen? Er sollte ebenfalls hören, was ich zu sagen habe.«
    »Er weilt zurzeit in Lissabon.« Ambas Magen zog sich vor Nervosität zusammen. Was kam nun? Und wie hatte sie sich einbilden können, Akash sei ihretwegen hergekommen? Zum Glück verhüllte der Schleier ihr Gesicht, so dass Akash nicht sah, wie ihre zuvor gelöste Miene sich nun veränderte. Amba presste die Lippen fest aufeinander und runzelte die Stirn.
    »Nun, in diesem Fall ist es wohl legitim, wenn ich Euch allein von dem in Kenntnis setze, was ich unterwegs erfahren

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