Der Infekt
geeinigt habt, kannst du mir ja Bescheid sagen. Ich bin ja ohnehin Tag und Nacht hier«, fügte sie sarkastisch an.
Green nickte ihr freundlich zu und wechselte mit dem Australier hinüber in sein Büro. Dort holte er zwei kleine Likörgläser und eine halb volle Flasche aus dem Aktenschrank und schenkte ein. »Bedien dich, Stan.«
»Was ist das?« fragte der Lange mißtrauisch.
»Drambuie«, erläuterte Idwood. »Ein Likör von der schottischen Insel Skye. Brennt das Gehirn frei. Probier.«
Sie stießen leicht an und nahmen einen Schluck. Lundquist gab undefinierbare Geräusche von sich. »Verflixt«, würgte er, »das Zeug ist ja unerwartet scharf. Aber es hat einen gewissen Nachgeschmack!« Er nippte noch einmal. »Wirklich, nicht schlecht.«
»Sag ich doch«, meinte Green, während er sich ein weiteres Gläschen genehmigte. »Aber Roessner haben wir dadurch nicht gefunden.«
»Stimmt. Wo könnte er sein? Ich bin deiner Meinung, daß er bereits in England ist. Aber wo genau ist er?«
»Tja, wo? Überlegen wir doch mal, wie er von Paris nach England gekommen ist! Flugzeug oder Schiff, das ist hier die Frage!«
»Und was haben wir davon, wenn wir das wissen?«
»Na ja, wenn er das Flugzeug genommen hat, würde mich der Landeflughafen interessieren. London? Birmingham? Ich meine, er muß doch damit rechnen, daß er uns eine Demonstration seiner Stärke vorführen muß, um uns zu beeindrucken, falls wir nicht sofort auf seine Forderungen eingehen. Dazu braucht er Rinder. Die gibt es nicht im Zentrum von London oder Birmingham. Wir müssen überlegen, was er vorhat. Vielleicht haben wir dann eine Erleuchtung, wo er sich versteckt hält und wie wir ihn kriegen können.«
»Also müssen wir uns die Passagierlisten aller Flüge aus Paris zu Gemüte führen?« fragte Lundquist.
Green nickte. »Nicht nur das! Auch die Listen der südlicheren Fähren einschließlich der Hovercrafts von Boulogne und Calais. Also, wenn ich so etwas vorhätte wie Roessner, wäre ich bestimmt nicht geflogen. Viel zu viele Kontrollen! Nein, ich hätte ein Schiff genommen, und wenn es sehr eilig gewesen wäre, das Luftkissenboot nach Dover.«
»Und davon gibt es auch Passagierlisten?«
»Ja, ja«, nickte Green, »das ist nicht das Problem. Listen können wir genug durcharbeiten. Wenn wir nur wüßten, ob …« Der Engländer stockte.
»Was denn?«
»Natürlich!« nickte Green. »Klar! Wenn wir ihn auf einer der Passagierlisten finden, dann wissen wir auch, ob er einen Leihwagen fährt oder nicht. Und dann finden wir auch heraus, welchen.«
»Meinst du, er hat sich ein Auto gemietet? Ist das nicht zu auffällig?«
Green hob die Schultern. »Na, ich weiß nicht. Ich hätte wahrscheinlich darauf verzichtet. Aber wenn er nur schnell nach England kommen wollte, könnte es sich gelohnt haben. Das A und O ist die Kontrolle der Passagierlisten. Also los!«
Er griff zum Telefonhörer und bat Yvonne Hartfield, alle zur Verfügung stehenden Passagierlisten der vergangenen zwei Tage von vier Innendienstmitarbeitern überprüfen zu lassen.
Gute vier Stunden später waren sie ein Stück weiter. Jack Corell von der Dokumentationsabteilung hatte Emilio Roessners Namen auf einer HoverSpeed-Liste vom Vortag gefunden.
»Das ist klasse, Jack«, lobte Green und warf einen Blick auf den Computerausdruck, »jetzt kann ich es euch ja sagen: Ich war nicht sehr hoffnungsfroh. Ich habe fest damit gerechnet, daß wir seinen Namen nicht finden, weil ich annahm, er würde einen falschen Paß besitzen.«
Lundquist lächelte fröhlich. »Hat er aber nicht. Wahrscheinlich hat er gedacht, daß ohnehin niemand seinen Namen kennt.«
Idwood nickte, während er stirnrunzelnd auf die Passagierliste starrte. »Er ist mit einem Auto über den Kanal gereist. Ein Auto mit französischer Nummer. Wahrscheinlich gemietet. Oder geklaut. Aber das glaub ich nicht! Da ist das Risiko viel zu hoch.« Der stoppelbärtige Engländer griff zum Telefon. »Yvonne? Eine Fahndung nach einem Auto. Ein Peugeot 405 mit folgendem Kennzeichen …« Er gab die Kombination durch. »Ist gestern via HoverSpeed nach England eingereist. Wahrscheinlich ein Leihwagen. Laß doch bitte die einschlägigen Leihwagenfirmen nach dem Kennzeichen abfragen. Okay? Danke!« Er wollte das Gespräch beenden, als ihm noch etwas einfiel. »Ach, Yvonne? Ich denke, es reicht, die Fahndung für Südengland auszuschreiben. Sagen wir, höchstens bis Höhe Luton. Danke!« Er legte auf.
»Wieso nur im Süden?
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