Der Infekt
Eingangsportal hinauf, ließ sich mit dem Sonderlift in die oberste Etage fahren und klopfte laut an die Tür zu Harris' Vorzimmer.
»Herein!« rief eine energische weibliche Stimme.
Kay öffnete die Tür und setzte sein gewinnendstes Lächeln auf. »Guten Morgen, Isobel. Wie geht es Ihnen?«
Isobel Cummings musterte ihn kühl. »Guten Morgen, Sir. Der Chef erwartet Sie bereits«, ließ sie ihn mit distanzierter Stimme wissen. Die etwa fünfzigjährige Sekretärin konnte den Abwehrchef nicht so recht leiden, vor allem wegen seiner Vorliebe für schwarze Zigarren und wegen der Unverschämtheit, diese Dinger immer dann anzuzünden, wenn er ihr Büro betrat. Außerdem hegte sie den unbestimmten Verdacht, daß Kay ihre Abneigung gegen seine Brasilzigarren kannte und diesen qualmenden Gestank nur deshalb produzierte, um sie zu ärgern.
»Danke, Isobel. Ich fürchte, ich habe mich einige Minuten verspätet«, meinte Kay entschuldigend und versuchte, auf die Armbanduhr zu blicken, während er die Zigarre in Brand setzte. Nachdem er einige dicke Wolken fabriziert hatte, öffnete er Harris' Bürotür.
Sein Freund nickte ihm grüßend zu und zeigte auf den Ledersessel vor seinem Schreibtisch. »Setz dich, Adrian! Isobel ist bestimmt wieder auf hundertachtzig. Sie liegt mir dauernd in den Ohren, wie schädlich Rauchen doch sei und daß die Gardinen vom Nikotin so schrecklich gelb werden.«
Kay ließ sich in den Ledersessel sinken und warf Harris das Zigarrenetui zu. »Bedien dich!« grinste er. »Oder hat sie dich soweit?«
Statt einer Antwort tippte Harris mit dem Zeigefinger an die rechte Schläfe und widmete sich dann einer der teuren Brasilzigarren. Genüßlich brachte er das gute Stück zum Glimmen. Dann ging er zur Bar und kehrte mit zwei Cognacschwenkern und einer Flasche zurück. »Cheers, Dan«, wünschte Kay, nachdem er eingeschenkt hatte, und nahm einen Schluck. Er blickte Harris interessiert an. »Ich habe gehört, es gab ziemliche Schwierigkeiten?«
»Die gibt es immer!« behauptete Harris. »Welche genau meinst du jetzt?«
»Einen Toten!« erwiderte Kay. »Montgomery.«
»Woher weißt du das schon wieder?«
»Das erzähl ich dir gleich. Du wirst dich mächtig wundern. Aber rede, was ist passiert?«
»Hm«, brummte Harris und paffte an der Brasil, »so wie es aussieht, war es ein Unfall. Kurz bevor Montgomery die Fähre nach Dublin besteigen wollte, ist ihm eine Palette mit Zeitungen auf den Kopf gefallen. Er war nicht das einzige Opfer, weil er mit einer Gruppe anderer Reisender zusammen auf dem Weg aufs Schiff war.«
»Alles andere als ein Unfall ist ausgeschlossen?« fragte Kay interessiert.
Harris musterte ihn nachdenklich. »Nein, natürlich nicht. Wie will man das auch ausschließen?«
»Wo wollte Montgomery denn hin? Weißt du das?«
Harris nickte. »Sein Mitarbeiter hat durchgegeben, daß er nach Irland wollte, weil er Efrem Blunstone aufgetrieben hatte.«
Kay zuckte leicht zusammen. »Blunstone? Das wäre …! Den möchte ich auch gerne in die Finger kriegen! Was, zum Teufel, macht der denn in Irland?«
»Du wirst es kaum glauben, mein Lieber, aber laut Montgomery leitet er da irgendein Forschungsinstitut.«
»Soll das ein schlechter Witz sein?«
»Warum sollte Montgomery Unsinn verbreiten? Das hat er noch nie getan.«
Kay brummte abwesend. Efrem Blunstone lag ihm immer noch schwer im Magen. Unter den Augen der Abwehrbeamten hatte er vor mehr als sieben Jahren dubiose Geschäfte mit dem Verteidigungsministerium abgewickelt. Dabei ging es offenbar um die Entwicklung neuartiger biologischer Kampfstoffe, die Blunstone im Auftrag einiger australischer Militärs in seinem Institut vorantreiben wollte. Da die Regierung vollmundig auf internationaler Ebene die Entwicklung und den Einsatz von B-Waffen verurteilt und eine Verzichtserklärung abgegeben hatte, wäre die Affäre beinahe zu einer apokalyptischen Peinlichkeit geraten. Zum Glück arbeitete Kays Spionageabwehr ganz brauchbar, deshalb waren die korrupten Stellen im Ministerium und im Militärapparat früh genug gefunden worden. Blunstone allerdings war ihnen durch die Lappen gegangen.
Harris unterbrach Kays Erinnerungen. »Was ist, woran denkst du?«
»Ich hatte mir gerade überlegt, wie jemand wie Blunstone an die Leitung eines Forschungsinstituts gelangen kann.«
Harris musterte ihn aufmerksam. »Ich verstehe ja, daß du ihn nicht leiden kannst, mein Freund, aber du solltest nicht vergessen, daß er als Wissenschaftler und auch
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