Der Infekt
warf Roessner einen kurzen Blick zu. »Dr. Heistrom, ich gebe Ihnen eine letzte Chance, dieses Problem vernünftig zu lösen. Geben Sie mir das Präparat!«
Heistrom stemmte die Fäuste in die Hüften. »Wollen Sie mir drohen? Und was heißt hier vernünftig? Ich bin vernünftig! Wenn es irgendwo mit der Vernunft hapert, dann offensichtlich bei Ihnen!«
Cruikshank sah ihn mitleidig an. »Ach, Heistrom«, seufzte er gespielt, »was sind Sie doch für ein Trottel!« Dann holte er blitzschnell aus und schmetterte dem Veterinär die Faust ins Gesicht. Heistrom fuhr sich fassungslos mit dem Handrücken über den Mund und starrte auf das Blut, das ihm langsam auf den weißen Labormantel tropfte.
Cruikshank setzte sich auf den Schreibtisch. »So, wenn Sie es nicht anders wollen, dann werden wir jetzt deutlicher werden! Ich brauche eine Probe des Viruspräparats, verstanden? Und Sie können es mir geben, wollen aber bis jetzt nicht. Was, denken Sie, werde ich nun tun? Gehen? Natürlich nicht! Ich werde Sie so lange unter Druck setzen, bis ich habe, was ich will. Und Señor Roessner wird mir dabei helfen! Nicht wahr?«
Roessner war wieder mit Maniküre beschäftigt. Ohne von dieser anstrengenden Tätigkeit aufzublicken, antwortete er. »Sicher, sicher!«
Heistrom schüttelte ungläubig den Kopf. »Sie … Sie müssen verrückt sein! Alle beide! Was geht hier vor?«
Cruikshank sah ihn eiskalt an. »Ich will das Präparat! Also?«
»Ich … ich kann es Ihnen nicht geben. Nein, ich kann das nicht tun. Es ist nicht zu verantworten.«
Er hatte kaum ausgesprochen, als er schon wieder die Faust Cruikshanks im Gesicht hatte. »Doch, Sie können, Heistrom, Sie wissen es nur noch nicht! Zunächst könnte ich Sie daran erinnern, daß Sie die gesamten außerplanmäßigen Zuwendungen der letzten vier Jahre nicht versteuert haben. Und Sie wissen ja, wie das ist, hier in Südamerika. Kein Hahn kräht danach, aber wenn man die richtigen Leute entsprechend anweist, dann wandern Sie ruck zuck in den Kerker, für drei, vier oder gar fünf Jahre. Meinen Sie, das würde sich lohnen?«
Der Tierarzt sah Cruikshank fassungslos an, während er versuchte, mit einem Taschentuch das Bluten seiner Nase zu stillen. »Woher wissen Sie das alles? Haben Sie mich etwa ausspioniert? Das ist ja unglaublich! Das ist Erpressung!«
»Nein, das ist Steuerhinterziehung! Also, jammern Sie nicht herum! Das führt jetzt zu nichts! Ich will immer noch das Präparat!«
Heistrom ging langsam ein Licht auf. »Sie wollen das gar nicht überprüfen lassen, Cruikshank! Sie brauchen es für andere Zwecke! Was haben Sie vor?«
»Das geht Sie einen Dreck an! Ich gebe Ihnen noch genau drei Minuten, um sich für einen vernünftigen Weg zu entscheiden!«
Heistrom sackte in seinem Sessel zusammen. Was tun? Er konnte doch diesem Kerl nicht das Viruspräparat aushändigen! Wer weiß, was der vorhatte und was dabei alles passieren konnte.
Aber sich wehren? Da hatte er keine Chance. Und ins Gefängnis wollte er auch nicht. Cruikshank und vor allem Roessner hatten ihre Verbindungen hier in Uruguay. Wenn sie die richtigen Leute bestachen, dann saß er jahrelang im Loch und würde vermodern. Aber was tun? Vielleicht konnte er sich mit einem Bluff die nötige Zeit zur Flucht aus Mercedes verschaffen.
»Wieviel brauchen Sie?« fragte er zögernd.
»Na bitte, das hört sich doch schon ganz anders an!« grinste Cruikshank. Er streifte Roessner mit einem Seitenblick. Der hatte die Maniküre beendet und folgte jetzt aufmerksam dem Gespräch.
»Tja, wieviel brauchen wir?« fragte Cruikshank. »Ich denke mal, eine ausreichende Menge für die Analyse. Möglicherweise müssen auch noch ein paar Versuchstiere damit injiziert werden. Sie werden doch wissen, wieviel man dafür braucht.«
Die wollen das niemals zur Analyse schicken, dachte Heistrom, niemals. Die wissen noch nicht mal, wieviel sie wollen und brauchen. Aber was haben sie vor? »Nun gut, ich denke, wenn ich Ihnen 500 Mikroliter vom konzentrierten Viruslysat abfülle, sollte das ausreichen.«
»500 Mikroliter? Das hört sich nicht besonders viel an!« meinte Cruikshank mißtrauisch.
»Na, hören Sie mal! Zum Immunisieren der Rinder haben wir das Präparat 1 : 100.000 verdünnt. Das ist eine konzentrierte Virusbrühe, Cruikshank. Mehr als ausreichend für die Analyse.«
»Okay. Füllen Sie 500 Mikroliter ab. Wie geht man damit um?«
Mein Gott, dachte Heistrom, was würde das werden? »Nun ich werde das
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