Der Insulaner
zuleide tat. »Mein König hat beschlossen, dass es an der Zeit ist, die Menschen jenseits der Berge kennen zu lernen. Wir wissen jetzt, dass die Reise nicht allzu beschwerlich ist, und unser Herrscher möchte mit euch Handel treiben. Handel ist die Grundlage einer guten Freundschaft zwischen zwei Völkern.«
Impaba sah aus, als lausche er mit höchster Konzentration, um den für ihn schwer verständlichen Dialekt zu verstehen. Anscheinend gelang es ihm recht gut. »Sehr schön. Was habt ihr mitgebracht?«
»Wir haben die unterschiedlichsten Waren: Stoffe, Glaslinsen, Farben und Arzneien. Dies ist nur eine erste Karawane. Wir müssen noch herausfinden, was euer Volk benötigt und zum Tausch anbietet. In Zukunft werden dann Karawanen eintreffen, die mit den gewünschten Waren beladen sind.«
»Eisen?« fragte Impaba.
»Wir bringen keine Metalle außer Kupferdraht. Eigentlich wären wir nur zu gern bereit, euch gut für Eisen zu bezahlen, wenn ihr etwas anzubieten hättet.«
Impaba nickte. »Wir unterhalten uns noch. Du bist willkommen. In der Nähe liegt das Dorf Windbö. Begleitet uns dorthin und zeigt uns eure Waren. Ihr könnt euch ausruhen, und wir reden …« Er hielt inne und spähte über Haels Schulter. Hael drehte sich um und entdeckte Deena, die mit weitaufgerissenen Augen reglos auf ihrem Nusk saß. Er war sicher, dass sie völlig verängstigt war.
Impaba wies auf die Frau. »Wo habt ihr sie gefunden? Sie ist unsere Gefangene.«
»Das war sie einmal«, entgegnete Hael, »aber jetzt begleitet sie uns. Seitdem wir sie in den Bergen fanden, dient sie uns als Führerin und steht unter unserem Schutz.«
Augenblicklich geriet Impaba in Wut. »Sie gehört mir! Ich will sie haben!« Er trieb sein Cabo auf Deena zu, aber Hael verstellte ihm mit Trittsicher den Weg und griff nach dem Speer. Die Amsi hinter Impaba rückten zusammen und umklammerten die Waffen fester.
»Wartet!« Shongs gelassene Stimme und die erhobene Hand sorgten ebenso schnell für Ruhe, als hätte er laut gebrüllt. »Es gibt keinen Grund zu streiten.
Wenn sie dir gehört, könnten wir sie dir abkaufen. Lasst es uns in aller Ruhe im Dorf besprechen, Freunde.«
Impaba beruhigte sich wieder. »Ja, du hast recht. Sie ist nur eine Frau. Und noch dazu eine Matwa.« Er sprach das Wort aus, als habe er einen fauligen Geschmack im Mund. »Kommt mit.« Er machte kehrt und ritt davon, die übrigen Amsi hinter sich.
»Das war knapp«, meinte Choula. »Tapfer, aber dumm von dir.«
»Nicht unbedingt«, mischte sich Shong unerwartet ein. »Es wäre närrisch gewesen, ihn zum Kampf herauszufordern, aber manchmal ist es gar nicht schlecht, gleich beim ersten Treffen zu erkennen zu geben, dass man sich nicht einschüchtern lässt. Und sei es nur, damit die Burschen später nicht versuchen, die Preise durch herausforderndes Benehmen zu drücken.« Er wandte sich um und winkte dem Viehtreiber, Deena zu ihnen zu bringen.
»Ich danke euch«, sagte die junge Frau mit erstickter Stimme.
»Wir liefern dich nicht aus, wenn wir dich schützen können, ohne uns selbst in Gefahr zu bringen«, sagte Shong.
Sie nickte. »Ich verstehe.«
»Wer ist er?« wollte Shong wissen. »Ist er von Bedeutung oder bloß der Anführer einer Kriegergruppe?«
Sie holte tief Luft und atmete seufzend aus. »Impaba ist ein wichtiger Mann bei den Amsi des Nordwestens. Sie haben kein Dorf, sondern ziehen mit ihren Zelten von einem Ort zum anderen. Die Amsi des Nordwestens sind in sechs Stämme aufgeteilt, und er ist der neue Kriegshäuptling von einem davon.« Sie sah Shong fragend an, ob er ihren Worten ebenso gut folgen konnte wie Hael.
»Sprich nur weiter, Mädchen, ich verstehe dich schon. Rede nur nicht zu schnell.«
»Vor vielen Wochen überfiel er mit seinen Leuten mein Dorf in den Hügeln. Etliche meines Volkes wurden getötet. Zusammen mit anderen Frauen und Kindern wurde ich verschleppt.«
»Haben deine Leute sich nicht gewehrt?« erkundigte sich Hael.
»O doch!« erwiderte sie stolz. »Die Amsi fürchten unsere Bögen! Da sie aber auf Cabos reiten, schlagen sie manchmal schneller zu, als wir zu begreifen vermögen. Unsere Krieger vertrieben sie, doch es blieb ihnen Zeit genug, uns, die wir im Wald Holz sammelten, gefangen zu nehmen.«
»Sie rauben Frauen und Kinder als Sklaven?« warf Shong ein, der sich für jede Art des Handels interessierte.
»Ja«, antwortete Deena.
»Und was machen die Amsi mit den Sklaven?«
»Manche müssen für sie arbeiten, andere
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