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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Diese Sklaven werden für euch sorgen. Wenn ich wieder da bin, unterhalten wir uns.« Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich um und rief seinen Kameraden etwas zu. Sie saßen wieder auf und hatten das Dorf innerhalb weniger Minuten verlassen.
    »Wetten, dass sie sofort ihre Stammesbrüder benachrichtigen«, sagte Shong. »Nun, wir können nichts dagegen unternehmen. Außerdem kam ich hierher, um neue Kontakte zu knüpfen.«
    Die ihnen zugewiesenen Hütten erwiesen sich als geräumig, aber düster. Jede hatte eine niedrige Tür und ein rundes Loch im Dach, das als Rauchabzug diente. An den Wänden hingen Haken, an denen die Besucher ihre Habe aufhängen konnten. Geschlafen wurde auf mit Gras bedeckten Pritschen. Die Dorfbewohner versorgten sie mit reichhaltiger Nahrung, hatten aber scheinbar keine berauschenden Getränke anzubieten.
    In jener Nacht vollzogen die Byalla ein schwer zu begreifendes Ritual. Deena erklärte, dass es nicht zu Ehren der Gäste abgehalten wurde, sondern nur eines von vielen war, die den Jahresablauf des Stammes durchzogen. Die Dorfbewohner trugen farbenprächtige Gewänder und hatten ihre Körper mit verworrenen Mustern bemalt. Zu den Klängen von Flöten und Trommeln tanzten sie streng vorgeschriebene Schritte, während maskierte Männer eine Legende darstellten, bei der Menschen, Tiere, Götter und Geister eine Rolle spielten. Einige von ihnen ahmten die Bewegungen und Laute wildlebender Tiere auf verblüffend ähnliche Weise nach, und eine Gruppe junger Mädchen spielte einen Wolkenbruch. Die Tänzer wirkten völlig versunken und geistesabwesend. Der Sinn des Rituals blieb den Besuchern verborgen, und auch Deena konnte ihnen nicht weiterhelfen.
    »Es sind Bauern«, meinte Shong. »Also geht es wahrscheinlich um Regen und Fruchtbarkeit. Die Religion der meisten Landleute dreht sich um das Wetter und den Erdboden. Aber vielleicht gehört es sich nicht, wenn wir zu neugierig sind.«
    Nachdem seine Gefährten sich zur Ruhe begeben hatten, blieb Hael noch auf und beobachtete die Byalla mit großem Interesse. Noch nie hatte er erlebt, dass ein ganzes Dorf so völlig in einem Tanzritual aufging. Diese Menschen lebten in Armut und Unterdrückung und hatten dennoch eine tiefe und inbrünstige Verbindung zur Geisterwelt. Er nahm an, dass dies der Grund für die ihnen eigene Würde war. Das alltägliche Leben war ihnen nicht wichtig. Vollzogen sie jedoch ihre Rituale, befanden sie sich im Einklang mit den Naturgewalten. Dabei besaßen die Byalla, die kaum mehr als Sklaven waren, Macht über das Universum der Geister. Sie lebten zufrieden mit der Welt und ihrem Los und fühlten sich nicht schlechter als andere Völker auch. Hael hätte nicht so leben können. Dafür war er zu sehr Krieger. Aber er begriff die Anziehungskraft der Rituale. Die Byalla verbrachten viel Zeit in diesem tranceähnlichen Zustand, vermutete er.
    Als er sich schlafen legte, erfüllten die Laute der Flöten und das Dröhnen der Trommeln noch immer die Nacht.

 
KAPITEL ZEHN
     
    S eit fünf Tagen waren die Amsi verschwunden, und bisher gab es keine Anzeichen für ihre Rückkehr. Das überraschte niemanden, da primitive Völker sich selten an genaue Zeitangaben gebunden fühlten. Shong war bereit, notfalls eine Woche lang zu warten, ehe er sich bis zur nächsten, im Südosten gelegenen Ortschaft vorwagte. Ohne Zweifel würden sie den Amsi irgendwo auf dem Weg dahin wieder begegnen.
    Hael versuchte, mit den Byalla ins Gespräch zu kommen, aber ihre Sprache war schwer zu verstehen, viel schwieriger als der übliche Dialekt der Völker des Nordens, den er inzwischen recht gut verstehen konnte. Choula war der Ansicht, die Sprache der Einheimischen sei eine stark geänderte Abart der Sprache des Südens.
    Die Byalla fanden großen Gefallen an den mitgebrachten Waren, besaßen aber kaum etwas, das sie zum Tausch anbieten konnten. Shong erstand handgemahlenes Mehl, getrocknete Hülsenfrüchte und ein paar Büschel Arzneikräuter, die Tuvas als wertvoll einschätzte und bezahlte dafür mit bunten Stoffen und Kupferdraht.
    Choula, der nichts zu tun hatte, packte seine Notizbücher aus ihrer wasserdichten Hülle aus Sleenhaut und fertigte hervorragende Gemälde der Menschen, des Dorfes und ihrer Waren an, die er mit den entsprechenden Unterschriften versah. Viel von Wert war nicht zu entdecken, obwohl die Byalla hübsche Körbe flochten, bei denen farbige Gräser und dünne Weidenruten zu kunstvollen Mustern zusammengefügt

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