Der Insulaner
Es war nichts zu sehen oder zu hören, aber ein großes Lebewesen näherte sich den jungen Kriegern. Pendu schritt zur Linken Haels, und die Kreatur würde dicht neben ihm vorüberschleichen. Hael stieß einen leisen Pfiff aus. Dieses Zeichen wurde während Kriegszeiten und Überfällen benutzt, damit die Männer sich in der Dunkelheit ohne Worte verständigen konnten.
Lautlos bewegte sich Hael auf die Stelle zu, an der er den Gegner vermutete. Mit dem Speer gab er Pendu ein Zeichen, sich nicht von der Stelle zu rühren. Mit weiteren Pfiffen und Handzeichen befahl er den Jungen zu seiner Rechten, einen weiten Bogen zu schlagen. Er hörte die Pfiffe der anderen, die seine Anweisungen weitergaben, und nun wandten sich auch die Krieger links von Pendu zur Seite. Als Hael das Zeichen zum Anhalten gab, bildeten sie ein breites V, mit Pendu an der Spitze und dem Langhals irgendwo in der Mitte.
Die Bestie lag still, da sie die Unruhe spürte. Kein Wunder, dass die Kreatur für ihre magischen Kräfte bekannt war, dachte Hael und umklammerte den Speer mit vor Aufregung feuchten Händen. Sie kann die Gedanken der Menschen lesen. Er spürte die Gegenwart des Langhalses, wusste aber nicht, wann oder wie der Gegner angreifen würde. Vielleicht versuchte er auch, durch das offene Ende des Vs zu fliehen. Ein durchdringend beißender Gestank wehte zu ihnen hinüber. Der Langhals bereitete sich auf den Angriff vor.
»Passt auf!« schrie Hael. »Er kommt!« Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, als das Gras vor ihm förmlich in die Höhe spritzte – und eine riesige Gestalt sprang auf ihn zu. Unmöglich, dachte er im Bruchteil der Sekunde, als der furchterregende Kopf auf ihn zuschoss; kein Tier von diesen Ausmaßen konnte sich so dicht heranschleichen, ohne einen Laut zu verursachen oder das Gras hin- und herschwanken zu lassen.
Instinktiv warf er sich nach rechts und stieß im gleichen Augenblick mit dem Speer zu. Hael hatte nach der Kehle des Monstrums gezielt, aber die Bronzespitze prallte auf den Kieferknochen des Langhalses und wäre ihm um ein Haar aus der Hand gerissen worden. Verzweifelt bemühte er sich, die Waffe zwischen sich und dem Angreifer zu halten, denn wenn er sie verlor oder ins Stolpern geriet, bedeutete das den sicheren Tod.
Mit schrillem, durchdringendem Geschrei stürmten die anderen Krieger herbei und stießen die Speere in den Leib des Ungetüms, um sofort wieder zurückzuspringen, damit die blitzenden Zähne und spitzen Klauen sie nicht erwischten. Trotz seiner entsetzlichen Angst verspürte Hael einen Funken Stolz, dass keiner der Gefährten die Waffe fallen ließ oder floh.
Wieder wandte sich ihm der Kopf des Langhalses zu. Hael schlug mit dem Speergriff nach dem bösartig funkelnden Auge des Wesens, doch das schützende Lid senkte sich rechtzeitig und verhinderte jeglichen Schaden. Sofort führte der Junge einen weiteren Hieb aus, und diesmal gelang es ihm, eine blutende Wunde auf dem Nasenrücken der Kreatur zu hinterlassen.
Rufe und Schreie drangen zu den Kämpfenden herüber. Anscheinend näherten sich jetzt auch die übrigen Krieger des Stammes.
Ein Junge namens Gota stieß nach den Hinterbeinen des Langhalses und vergaß, den gefährlichen Schwanz im Auge zu behalten. Wie eine riesige Peitsche schlug er zu, und trotz des Geschreis und dem klatschenden Geräusch, das entstand, als der Schwanz auf den Körper des jungen Mannes traf, vernahm Hael das Knacken, als Gotas Oberschenkelknochen brach. Der Langhals wirbelte herum und warf den Kopf zurück, um den unter ihm liegenden Knaben zu zerfleischen. Hael sprang vor und stieß von unten nach dem Kiefer der Kreatur. Noch einmal drehte das Wesen sich zu schnell, um einen gezielten Treffer zu landen, und die Speerspitze prallte wieder gegen den Knochen des Unterkiefers.
Ein Vorderbein schnellte vor, anscheinend ohne großen Kraftaufwand, aber als es Hael streifte, wurde er hoch in die Luft geschleudert. Er landete auf dem Rücken und blieb benommen und nach Luft ringend liegen. Über ihm erschien der riesige Körper des Gegners. Das war das Ende. Plötzlich bohrten sich Speere in die Flanken des Langhalses, der sich aufbäumte und brüllend zurückwich.
Die restlichen Nachtkatzen waren eingetroffen, und mit ihnen die schnellsten Läufer der anderen Bruderschaften. In Augenblicken größter Gefahr und Angst scheint die Zeit sich unendlich zu dehnen – und der Kampf schien bereits Stunden zu währen, obwohl Hael ahnte, dass erst wenige Minuten
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