Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
Vom Netzwerk:
Bedrohung für die Herde und die Menschen, und noch ist die Zeit des Kalbens nicht vorüber.«
    Mit zweifelnden Mienen gingen die beiden davon. »Jeder Dummkopf hält sich für einen Fachmann für rituelle Gebote und Gesetze«, murrte der Alte. »Sie sollten diese Dinge mir überlassen.«
    Zuletzt bedeckte er Haels Wunden mit alten Spinnweben, band ein sauberes Tuch darum und schnürte es vorsichtig mit einem Lederband zu. »Es darf auf keinen Fall zu fest anliegen. Wenn das Bein anschwillt, lockerst du den Verband, aber nie so stark, dass Fliegen an die Wunde gelangen können. Es ist lebenswichtig, offene Wunden vor Fliegen zu schützen. Die Geister der Krankheit reiten auf Fliegen.«
    Im Licht des jungen Morgens versammelten sich die Männer, um den Langhals zu verfolgen. Der alte Jäger kam aus dem Dorf im Süden, um ihnen behilflich zu sein. Er begutachtete den Kampfplatz, während sich die Krieger unterhielten. Luo, der traurig war, weil er die ganze Aufregung verpasst hatte, besuchte Hael.
    »Alle außer mir haben sich mit Ruhm bedeckt! Das ist ungerecht! Und du hast so ehrenvolle Verletzungen erlitten.«
    »Die kannst du gern haben«, antwortete Hael. »Wenn du sie mir abnimmst, wäre ich dir äußerst dankbar.«
    Danats gesellte sich zu ihnen. »Ich wusste doch, dass du einen Weg findest, dich für die nächste Zeit vor dem Wachdienst zu drücken. Jetzt muss ich auch deine Arbeit übernehmen.«
    »Außerdem darfst du mich waschen und meinen Verband wechseln«, verkündete Hael. Er sah Raba an. »Ich sah deinen Speer in der Flanke des Biestes stecken. Meinst du, die Wunde war tödlich?«
    Raba schüttelte den Kopf. »Das Vieh hat Rippen aus Bronze. Sieh nur.« Er hielt den Jungen den Speer entgegen, und sie sahen, dass die Spitze der Waffe völlig verbogen war. »Alle, die mit dem Speer zustießen, sagen dasselbe. Niemandem gelang es, die Spitze tief in den Körper zu bohren.«
    »Die Magie der Langhälse ist mächtig«, erklärte Tata Mal und packte seine Sachen zusammen.
    Minda rief die Hälfte der Krieger zu sich. Die restlichen Männer blieben zurück, um die Herde zu bewachen. Hael lag neben dem Feuer und verlor immer wieder das Bewusstsein. Als die Krieger am Nachmittag zurückkehrten, ging es ihm ein wenig besser. An der Art, wie sie die Speere hinter sich her schleiften, erkannte er, dass sie keinen Erfolg gehabt hatten.
    »Lebst du noch?« erkundigte sich Raba.
    »Nun, nur noch ein wenig.«
    »Du hast nichts verpasst.«
    »Ihr habt ihn also nicht gefunden?« fragte Hael neugierig.
    »Doch, wir haben ihn aufgestöbert«, sagte Luo. »Aber die älteren Krieger gingen vor uns. Sie hätten ihn töten können.«
    »Er war stark geschwächt«, warf Pendu ein. »Nicht wie letzte Nacht. Aber sie wagten sich nicht nahe genug heran. Ich glaube, sie haben zu viel Angst, die alten Gebote zu brechen, ganz gleich, was der Geisterbeschwörer sagt.«
    »Diese Narren!« stöhnte Tata Mal. »Was ist mit dem Langhals passiert?«
    »Wir jagten ihn eine Stunde lang«, erklärte Luo, »bis er zu den Sümpfen unweit dem Land der Bauern floh. Wir hörten, wie er eine Weile herumplanschte, dann wurde es plötzlich still. Der Jäger meinte, es sei nutzlos, noch länger auszuharren, und wir kehrten zurück.«
    »Das wird uns noch viel Leid bescheren«, sagte Tata Mal mit dumpfer Stimme.
    Der alte Jäger blieb in dieser Nacht im Lager, um die Speerspitzen der Krieger zu schärfen. Als er Haels Speer ergriff, betrachtete ihn der Junge eingehend. Der Jäger war klein wie alle Jäger, und so verhutzelt wie eine eingetrocknete Frucht. Er trug Knochenketten und war in die Häute erlegter Tiere gekleidet.
    »Was wird der Langhals jetzt tun?« fragte Hael.
    Der Jäger fuhr mit einem flachen Stein über die Kanten der Speerspitze. »Er warten, bis Wunden verheilt.« Seine Aussprache war guttural und für die Shasinn schwer zu verstehen, aber er lebte schon lange genug unter ihnen, um sich verständlich zu machen. »Schlimme Wunden. Dauert viele Monde, aber stirbt nicht.«
    »Wird er nicht verhungern?«
    Der Jäger schüttelte den Kopf. »Wenn besser, er kommt nachts, frisst Aas. Kein Tier bleibt bei Beute, wenn Langhals will haben. Später, er kommt und jagt.«
    »Wird er bleiben oder zurück in seine Jagdgründe gehen?«
    Der alte Mann zuckte die Achseln. »Weiß nicht. Langhals keine Jagdgründe hat. Jagt hier oder da, geht weiter, kommt nicht zurück oder doch.« Schweigend hockte er neben dem Jungen und schliff die Spitze der Waffe.

Weitere Kostenlose Bücher