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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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zurückgekehrten Jungen brachten ihre Schilde zum Waffenschuppen und setzten sich ans Lagerfeuer, um ihr Nachtmahl zu verzehren.
    Ein heftiger kalter Wind trieb eine riesige Wolkenbank vor sich her nach Nordwesten. Blitze zuckten auf, aber bisher hatte es noch nicht geregnet, und die Wolken waren zu weit entfernt, als dass man den Donner hätte hören können. In Erwartung des unausweichlichen Kampfes hatten die meisten Krieger ihren Schmuck und die volle Kriegsbemalung angelegt, um möglichst eindrucksvoll zu wirken.
    Im grellen Licht eines Blitzes erkannte Hael die Gesichter seiner Gefährten. Raba, Luo und Pendu befanden sich ganz in der Nähe, Danats hielt gemeinsam mit Sounn und Gota Wache. Der älteste der anwesenden jungen Krieger war Kampo. Insgesamt hielten sich ungefähr zwanzig Nachtkatzen im Lager auf, die zum größten Teil wach waren. Nur aus wenigen Hütten drang leises Schnarchen. Der Junge ergriff eine mit Blut und Milch gefüllte Schale und hatte gerade ein paar Schlucke zu sich genommen, als in einiger Entfernung Schreie laut wurden, denen ängstliches Kaggagebrüll folgte.
    Sofort sprangen die jungen Krieger auf, rannten zum Lagerschuppen und suchten in dem fahlen Licht nach ihren Schilden. Gleichzeitig brüllten sie nach den Schlafenden. Die Rufe waren jetzt deutlicher zu verstehen: »Schilde! Schilde!« Der uralte Kampfruf der Shasinn.
    »Versammelt euch am Geisterpfahl!« schrie Kampo.
    Hael stopfte sich drei Wurfstäbe in den Gürtel und ergriff einen Wurfspeer. Sein Herz klopfte wild, und er fühlte sich plötzlich leichter, konnte sich schneller bewegen als je zuvor – und trotz der Dunkelheit gut sehen. In weniger als fünfzig Herzschlägen hatten sich alle mitsamt ihren Waffen am Geisterpfahl eingefunden.
    »Dahinten sind sie!« rief eine Stimme und jemand deutete auf eine Stelle am anderen Ende der großen Herde, wo jetzt das Licht von Fackeln sichtbar wurde.
    »Halt!« rief Kampo. »Wir verteidigen unsere eigene Herde, bis die Trommeln uns zum Geisterpfahl im Dorf rufen! Das ist sicher nur eine Falle, denn welcher Idiot wird schon mit einer Fackel auf Raubzug gehen? Der eigentliche Überfall wird an anderer Stelle erfolgen. Sind wir vollzählig?« Schnell überflog er die Köpfe der Anwesenden. Dann setzte er sich in Trab, und mit jeweils drei Schritten Abstand folgten ihm die Kameraden. Kampo stimmte ein Kriegerlied an, in das alle Jungen einfielen. Mit den Waffen klopften sie dazu im Takt gegen die Schilde. Die zuckenden Blitze ließen die Metallteile aufleuchten. Der Gesang und das immer wieder aufblitzende Licht verliehen der Gruppe anmutig dahineilender Knaben ein bedrohliches Aussehen.
    Hael lief an zweiter Stelle, genau hinter Kampo. Er bemühte sich angestrengt, etwas zu erkennen. Wenn die Blitze zuckten, schien man meilenweit sehen zu können, aber das Licht währte zu kurz, als dass er etwas anderes als wogende Gräser auszumachen vermochte, ehe die Dunkelheit sie wieder umgab.
    Irgendwo vor ihnen ertönten Kriegsschreie. Die Wachen, die das Lager erst vor wenigen Minuten verlassen hatten, wurden angegriffen. Kampo stieß einen schrillen Kampfruf aus, und die Jungen liefen schneller und verteilten sich, um dem Feind entgegentreten zu können.
    Hundert Schritt im Voraus erkannte Hael die hellen Muster der Shasinnschilde. Aber wo waren die Angreifer? Rings umher gab es nur Gras, und kein Fremder war zu sehen. Doch plötzlich befanden sie sich inmitten der Asasa, noch ehe sie die Feinde, die überall auftauchten, ausgemacht hatten.
    Urplötzlich tauchte ein Mann vor Hael auf, und nun wusste er, weshalb sie die Angreifer nicht hatten sehen können: Die Asasa waren von Kopf bis Fuß schwarz bemalt! Auch die runden, mit Fell bespannten Schilde waren dunkel, und nur die strahlendweißen Zähne und die funkelnden Augen bewiesen, dass es sich nicht um einen nächtlichen Geist in Menschengestalt handelte.
    Instinktiv riss Hael den Schild vor den Körper, um den Speer des Mannes abzuwehren. Gleichzeitig stieß er mit dem Wurfspeer nach dem runden Schild des Feindes, vermochte ihn aber nicht zu durchdringen. Hael wich zurück, ließ den Wurfspeer fallen und wechselte den großen Kriegerspeer von der linken Hand, die den Schild umklammerte, in die rechte.
    Während er sich gegen einen zweiten Speer zu verteidigen suchte, schalt er sich einen Narren. Wie konnte er bloß vergessen, dass Wurfspeere und Stäbe bei einem Nachtkampf völlig nutzlos waren? Es war schon gut, wenn man ein paar

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